Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche#
Metadaten#
- Herausgeber
- Martina Lauster
- Fassung
- 1.0
- Letzte Bearbeitung
- 15.04.2025
Text#
Götter,#
Helden, Don-Quixote.#
————#
Abstimmungen#
zur#
Beurtheilung der literarischen Epoche.#
III Vorwort.#
Indem ich diese unter verschiednen Eindrücken verfaßten Artikel zusammenstellte, ward ich selber von einer Einheit derselben betroffen, die ich in sie nicht hineingelegt hatte. Ich fand, daß der Refrain aller dieser Artikel die Mißstellung der Literatur zu den öffentlichen Thatsachen ist, mochte die Klage nun in meiner Auffassung, oder, was eben so oft wiederkehrte, in den behandelten Gegenständen selbst liegen. Hier unterliegt der Dichter der Unbill prüder Beurtheilungen seiner Werke; dort stirbt eine Hoffnung, wie ein in voller Blüthe stehender Baum, der einen plötzlichen verspäteten Winterfrost nicht ertragen kann; eine gewaltige Kraft vergeudet sich an dem vergeblichen Kampfe gegen die nüchternen Rücksichten der bürgerlichen Ordnung; ein Maler IV ahnt das Ideal, ohne es lebenvoll beschwören und meistern zu können; ein Publizist geräth nach vielen heitern Parallelen, die sein Geist mit den Verhältnissen zog, plötzlich in Widerspruch mit dem Weltlauf oder auch nur in Widerspruch mit Ansichten, die von ihm als Beamten eines Staates vorausgesetzt werden; ein Dichter seufzt unter einer Fluth von bürgerlichen Geschäften, welche eine Lebenstaktik und eine öffentliche Haltung bedingen, die der eigentlichen warmen Regung seines Herzens schmerzlich, aber aus offiziellen Rücksichten still widersprechen; ein Andrer findet dort Kälte, wo er Liebe, dort Widerspruch, wo er Uebereinstimmung voraussetzte; er hat dieselben Ideen, wie die Männer seiner Partei, aber er motivirt sie anders und verknüpft mit ihnen Vorstellungen, welche Jenen wieder bedenklich scheinen; ein großer Stylist findet sich vom Staate, dem er ehrgeizig dienen möchte, zurückgesetzt und tröstet sich mit der Erinnerung früherer Zeiten, wo dem Talente eine unmittelbarere Einwirkung V auf die öffentlichen Dinge gestattet wurde, und wo Fürsten und Staatsmänner nicht verschmähten, zu den Füßen geistreicher Aspasien zu sitzen. Hier wieder ein Andrer, den der Staat nicht bloß ignorirt, sondern den er sogar verfolgt; dort ein Zorniger, der eine philosophische Grammatik des Styls zu schreiben vorgibt und unter den Anakoluthieen eigentlich Regierungsmaximen versteht. Ein Andrer möchte an demselben Staate, der ihn der Lüge zeiht, grade eine Wahrheit werden, und hält seine Anstellung als Muskau’scher Staatsgefangener für eine Gnade, der bald der Legationsrathstitel folgen werde. Des Abenteuerlichen wird immer mehr. Ein junger Neuling schreibt deßhalb gegen Metternich, weil er hofft, jeden Augenblick könnte ein Courier kommen, um ihn an Gentzens Stelle zu berufen; ein Jude philosophirt wie ein Christ, ohne sich taufen zu lassen; ein Feind der Preßfreiheit will die Presse durch die Censur veredlen und den Staat zum Intestaterben des Cicero und Livius machen, ohne dessen Willen VI keine neue Auflage des Cicero und Livius mehr erfolgen kann, es sei denn, daß der Staat dafür das Honorar bezogen hätte; und über all dies Gewühl und Narrenthum spricht ein Letzter, Prof. Steffens, seinen norwegischen Hexensegen und schlingt um alle Parteien den gefährlichen Strick der Revolution, der dem Lärm und Treiben ein criminelles Ende macht.
Dies die Einheit des Buches — und wahrlich, sie ist schmerzlich genug! Vielleicht findet sich ein philosophischer und freimüthiger Kopf, der von Alledem, was hier nur als Erscheinung auftritt, außer den von mir bezeichneten individuellen, auch noch die historischen und im allgemeinen Zeit-Zusammenhange zu erfassenden Ursachen anzugeben versucht.
K. G.
neue Seite Inhaltsverzeichniß.#
I. Götter.#
Percy Bysshe Shelley
Georg Büchner
Christian Grabbe
II. Helden.#
Wilhelm Schadow
Friedrich von Raumer
J. P. von Rehfues
K. Zimmermann
Varnhagen von Ense
Leo und Diesterweg
H. Heine
Th. Mundt
H. Laube
Gustav Schlesier
III. Don-Quixote.#
Johannes Minckwitz
Joel Jacoby
F. A. Löffler
Henrik Steffens
1 I. #
Götter.#
3 I.#
Percy Bysshe Shelley.#
(Geb. 1792. Ertrank im Meere 1822.)#
5 Vor dem Posthause in Pisa stand im Jahre 1820 ein schöner, langaufgeschossener, aber kränklich aussehender Englishman und fragte, ob nichts für ihn poste restante angekommen wäre?
Wie heißen Sie? fragte der Postoffiziant.
Shelley!
In dem Augenblick erhielt der Engländer einen fürchterlichen Schlag auf den Kopf, nachdem er kaum gehört hatte, daß ein hinter ihm stehender Landsmann ausrief: Was, Sie sind der Gottesläugner? Der Elende entlief. Shelley war besinnungslos niedergesunken. Als er sich erholte, lechzte seine gekränkte Ehre nach Rache. Er hört, der Fremde sei nach Genua 6 abgereist. Er eilt ihm nach; er will für die gemeine Mißhandlung Genugthuung haben. Er findet ihn nicht: er ist außer sich über den Schuft, bis er hört, daß er nach Lissabon gereist war. Es war ein englischer Lieutenant in portugiesischen Diensten. Was sollte Shelley thun? Leidend, hinfällig, sah er dem Tode, der ihn später in den Fluthen des mittelländischen Meeres ereilte, längst schon mit gebrochenen Augen ins Angesicht. Er ertrug und verwand seinen Schmerz. Der Mann von Geist hat gegen die Brutalitat keine andere Waffe, als Stillschweigen, Mitleid, Verachtung.
Und diese Anekdote kann uns auch schnell vergegenwärtigen, wer Percy Bysshe Shelley war, wenigstens wofür er in der öffentlichen Meinung galt. Er galt für einen Gottesläugner, für einen Gegner des Christenthums. Seine Braut wurde ihm entrissen, als ihn dieser Ruf zu verfolgen anfing, sein Vater, ein außerordentlich 7 reiches Glied der englischen Aristokratie, verstieß ihn und ließ ihn darben, hungern sogar; die Kinder einer Ehe, welche er schloß, weil sein Herz einer Anknüpfung bedurfte, und welche Scheidung trennen mußte, wurden durch Beschluß des Lordkanzlers von England aus seiner Nähe genommen; er floh, verfolgt von den Verwünschungen der Prüderie und der Trägheit der Masse, nach Italien, ein brutaler Lieutenant wollte ihm den Hirnschädel einschlagen; er hatte die ganze Welt gegen sich, die ganze Kritik, die Kirche, den Staat, die Gesellschaft, den Vater und die erste Geliebte gegen sich, er hatte nichts als eine zweite Gattin, die einen Geist besaß wie Georg Sand und selbst köstliche Dichtungen giebt, nichts, als einige spärlich gesäete Verehrer, zwei oder drei Freunde, unter ihnen aber einen, der ihn anbetete, Lord Byron.
Wenn irgend das Leben eines modernen Dichters – denn das war Shelley und der ge-8nialste! – die Stellung des originellen Gedankens und der schöpferischen Phantasie, unserem schroffen, egoistischen und an Vorurtheilen haftenden Zeitalter gegenüber, vergegenwärtigen kann; so ist es das Leben Shelleys. Er war ein Sohn der Zeit, wie keiner, und seine Mutter, grade unser materielles leichtsinniges Jahrhundert, stieß ihn von sich, wenn er sich auf sie berief, sich nach ihrem Namen nannte und die Maale zeigte, an welchen er erkannt sein wollte. Er trug, wie keiner, den Fluch einer Epoche, die nur von Gährungen und halben Ahnungen bezeichnet wird, den Fluch des Mißverständnisses und einer dem Neide und der Intrigue gar leicht möglichen Entstellung seiner edelsten Träume und Absichten. Er konnte sich nicht vertheidigen. Denn was läßt sich der Menge Vernunft predigen, der Menge, die nur nach Stichwörtern hört, die von stereotypen Ausdrücken nicht läßt, die nur schwarz oder weiß sehen will und von den 9 Farben des Regenbogens der Ideen nichts versteht! Shelley galt als Atheist, als Gegner des Christenthums, als ein Ungeheuer; welche Waffe hatte er? Konnte er rufen: Von Allem, was ihr sagt, bin ich das Gegentheil; nur die Freiheit meiner Dialektik, in der ich erst meine Ueberzeugung die Feuerprobe bestehen lasse, nur mein Genius ist es, der euch beleidigt, den ihr nicht enträthseln könnt! Er konnte es nicht. Er konnte nicht sagen: Ich, Shelley, bin ein armer leidender Mann, der nach Klarheit und Offenbarung ringt; ich bin empfindsam, wie die Sinnpflanze; ich bin Idealist in einem Grade, wie es Plato nicht war; ich sehe Gott in jedem, was Leben verräth; ich finde in der Natur die ewig geöffnete Pforte des Himmels; ich bin ein schwaches Rohr, das vom Zugwind seiner Zweifel hin und hergeweht wird; schmachte nach Liebe, Hingebung; ich opfre all mein Vermögen Armen und Hilfeflehenden; ich schreibe nicht des Ruh-10mes wegen, sondern um mir genugzuthun; ach und ich will aufhören, da ich nirgends in euren kalten Gemüthern ein Echo finde; ich bin der Unglücklichen Unglücklichster, dämmre dem Tode entgegen und werde von Visionen geängstigt, die mich zum Schlafwandler machen, zum Schrecken meiner Umgebung; ich sah mich selbst, einen Doppelgänger; ich werde vom Sturm auf dem Meere verschlungen werden und schrecklich sterben, wie ich freudenlos gelebt habe!
So konnte Shelley selbst nicht sprechen. So spricht nur der, der ihn näher kannte, so spricht sein Leben, sein Tod. Erst die Grabschrift konnte ihn, wie an der Pyramide des Cästius in Rom zu lesen ist, ein treues Herz, cor corduum, eine liebe, gute, treue Haut, nennen. Byron nannte ihn so. Das atheistische Ungeheuer, vor welchem sich die Basen und Reviews Englands kreuzigten, war ein schwaches, liebes Kind, das sich in Augenblicken der Gefahr zur muthigsten 11 Elastizität emporschnellen konnte; sonst aber sanft und gut wie ein Frauenzimmer war, abergläubisch sogar, religiöser jedenfalls als die Bischöfe von Oxford und Exeter. Im Leben konnte das niemand von ihm beweisen. Erst sein Tod und die unverfälschten Thatsachen, die der Gedächtnißrede seiner Freunde zum Grunde lagen, konnten ihn rechtfertigen.
Shelley war mit Byron in derselben Lage; allein diese Lage wirkte auf ihn anders, als auf Byron. Byron nahm Rache an seinen Gegnern, er schwang seine satyrische Geißel über die, die ihm mißwollten. Konnte er nicht ganz England durch seine Verse in den Belagerungszustand der Poesie versetzen, so nahm er Repressalien an Italien, an den Frauen, an Menschen, die ihn nicht verstanden, die nur sein Geld, seine Hunde und seine aristokratischen Manieren zu schätzen und zu fürchten wußten. Er hatte Stoff, woran er seinen Aerger austoben konnte. Allein Shelley, 12 dem man nicht so sehr die Unsittlichkeit, als die senkrechte Gottesläugnung vorwarf, mußte denselben Aerger in sich selbst verwinden. Er tobte sich nicht in den Leidenschaften aus. Er ertrug die Mißgunst der Welt und lebte, je mehr sie ihn von sich stieß, desto mehr in sich hinein. Sein Weib verstand ihn; sie war auf der Höhe seiner Ideen; ein seltnes Glück beim Dichterunglück. Er hatte Frieden in den Kreisen, die ihm die nächsten waren. Das gab ihm den Muth, so viele üble Nachrede zu ertragen und seinem ätherischen Genius treu zu bleiben. Shelley hatte eine Seele wie Ariel.
Wie Ariel war auch seine Poesie. Luftig und ätherisch flattert sie, wie die Libelle über dem Bache. Seine Gedanken zitterten, wie die Flamme des Lichtes zittert. Er war, wie die Lerche, immer im Steigen begriffen, wenn er sang. Er wußte die Poesie an das, was uns begegnet und im Wege liegt, wie die falsche mo-13derne Richtung ist, nicht anzuknüpfen, sondern er mußte Grundlagen für seine Anschauungen haben, die dem Reiche der Gedanken und der Reflexionen angehörten. Nachdenken entzündete seine dichterische Begeisterung, die Anschauung lieh ihr erst die Worte, deren sie sich bediente. Alles, was er sang, ging von einer hohen Idee aus; die Form erst schöpfte er aus der Natur, die ihn umgab. Er wußte der Natur aber Alles zu entlehnen und abzulocken, was sie Poetisches nur enthält. Er kannte das Wesen der Blumen und Steine, er löste von Allem, was er sah, ein Bild für seine Dichtungen ab. Die schönsten Gleichnisse strömten ihm in üppiger Fülle zu. Er konnte in Bildern ebenso lieblich wie großartig sein. Schwollen die Anschauungen, hoben sich die Gedanken, so ward er in seinen Formen gigantisch. Er brauchte Bilder, wie Aeschylus, dem er in der Tragödie nachstrebte. Es ist, als sähe man das heiße Afrika eines Hannibal über 14 das Eis der Alpen ziehen. Oft erhoben sich seine Formen so hoch, daß man ihm nicht folgen konnte, sondern wie einen Luftball ihn allmälig aus dem Auge verlor. Ich weiß nicht Englisch genug, um meiner Charakteristik der Shelley’schen Poesie Vollständigkeit zu geben. Aber ich ahne ihre zarte Mischung von Sentimentalität und Metaphysik und glaube allerdings gewiß zu sein, daß sie der äußern plastischen Gestaltung ermangelte und in den zu erhabenen Stellen mit den obern Luftschichten der Atmosphäre zuweilen eine gleiche Wirkung hat, nämlich die, daß man erfriert. Indessen rühmt Byron das Talent seines Freundes für das Drama und sagt: die Cenci Shelleys sind das beste Trauerspiel, welches die neuere Zeit hervorgebracht hat und Shakespeares nicht unwürdig.
Die Cenci betreffend, so leitet sie Shelley mit tiefen Bemerkungen über den dramatischen Charakter, über Moralität der Poesie und ähn-15liche Fragen ein. Der Gegenstand ist bekannt. Ein römischer Patrizier, Cenci, ein Wüstling, der sich vor seinen eignen Kindern nicht sicher glaubt, wirft in verbrecherischer Leidenschaft sein Auge auf seine eigne Tochter und reizt diese durch die ihr angethane Schmach, den Vater ermorden zu lassen. Die That wurde entdeckt und sie mit ihren Mitschuldigen zum Tode geführt. Beatrice Cenci ist der Mittelpunkt der Tragödie, die füglich nach ihr hätte benannt werden können. Ihr Unglück, ihre Verzweiflung, ihre Rache und die Verschlagenheit, mit der sie sich gegen die Anschuldigung des Mordes zu rechtfertigen sucht, sind meisterhaft geschildert. Wenn das Trauerspiel im Allgemeinen zur Lektüre geeigneter ist, als zur Darstellung, so liegt dies in der negativen Charakteristik der übrigen Personen. Sie entwickeln wenig drastische Leidenschaft, sie sind fein gezeichnet, sie entsprechen menschlichen Neigungen und Eigenthümlichkeiten, allein sie bewe-16gen sich in keiner schlagenden und raschen Thätigkeit, sie haben nicht einmal sichre Zwecke, die sie erreichen wollen. Der Vater, Graf Cenci, ist gleichfalls mit origineller Wahrheit hingestellt, und auch wirksamer, als die übrigen, Beatrice ausgenommen. Die Sünde im Bunde mit der Frechheit hat der Dichter in krassen aber naturgetreuen und die Schranken haltenden Situationen gezeichnet, Lästerung und Bigotterie liegen auf einer vom Weinrausch lallenden Zunge. Ein Schauspieler, der diesen Charakter richtig wiederzugeben wüßte, müßte die satanische Originalität mancher Menschen gründlich studirt haben. — Zu den Vorzügen des Trauerspiels gehört die natürliche Sprache desselben. Shelley vermied absichtlich die lyrischen Ueppigkeiten, welche heutigen Tages grade bei talentvollen Dichtern das Drama so unwirksam machen. Er wußte, daß die Größe Shakespeares nicht in seinen verblümten, oft schwülstigen Redensarten, sondern in der 17 Sorglosigkeit, so oft sie ihn beschleicht, in der Familiarität des Ausdrucks liegt. Nichts weckt die Sympathie mehr, als wenn sich die Gestalten des Dichters ihm ganz analog, ganz ebenbürtig bewegen, wenn sie die Sprache Aller reden und nicht etwa eine Staats- und Sonntagssprache, die nur das Zeichen des Ungeschickes zur Poesie ist.
19 II.#
Georg Büchner.#
21 Um die Wehmuth zu verstehen, welche diesen Nachruf an einen früh vollendeten jungen deutschen Dichter durchbebt, denke man sich eine Freundschaft, die aus der Ferne, ohne persönliche Begrüßung, nur durch wechselseitige Bestrebungen, durch gleiche Gesinnungen hervorgerufen, und durch das Band thatsächlicher Ideale zusammengehalten wurde! Man wechselt Briefe und Zusprüche, man tauscht seine Zukunft aus und schüttet ein reiches Füllhorn lachender, dreister Hoffnungen sich einander in den Schooß; man spricht sich in trüben Stunden Muth zu und malt sich eine Wendung der Dinge aus, in welcher wir selbst vom Winde, der sich dreht, 22 gefaßt werden dürften; man hofft auf persönliche Begrüßung und gibt sich Kennzeichen, wenn man sich plötzlich begegnen sollte. Ein solcher Gemüth und Geist bewegender Verkehr dauert ein Jahr; da tritt eine kleine Unterbrechung ein; der Eine bestellt sein Haus, der Andre rüstet sich zu einer Reise und neuen Lebensbahn. Der Briefwechsel stockt. Man ist ohne Sorge über den still fortglimmenden Freundschaftsfunken und tritt eines Tages an einen öffentlichen Ort, wo sich das Echo der tausend Tagesgerüchte, der Irrthümer und der Verfolgungen in Zeitungen durchkreuzt. Man ergreift sorglos eine derselben und liest, daß der Freund, der hoffnungsvolle, strebende, muthige, schon seit Monaten hinübergegangen ist in das Reich des Friedens, sanft entschlummert im Arme einer Geliebten, ausgelöscht aus dem jungen Nachwuchsregister unsrer Hoffnungen, todt – ja mehr als todt – schon seit Monden verstorben!
23 So ging es mir mit Georg Büchner, einem strebenden Jünglinge aus Darmstadt, dessen Freundschaft ich mir durch die That erworben hatte und der sie mir leistete mit vollem, ideenreichem Herzen, ging es mir mit einer Knospe, deren Entfaltung ein herrliches Farbenspiel am Sonnenlicht gespiegelt hätte, die die volle Ahnung eines nicht blos genießenden Frühlingslebens in sich trug, sondern auch das Versprechen eines durch außerordentliche Fähigkeiten gesicherten Gewinnes für seine Nation. Noch glaubt’ ich einen jungen Titanen aus widerwärtigen Verhältnissen sich losringend zu wissen; und in dem Augenblicke barg ihn schon der kühle Schooß der Erde. Ich sah ihn seine Waffenrüstung zum Kampfe mit der Unbill der Zeiten schmücken – und schon schlummerte er in jenem ewigen Reiche des Friedens, wo die Widersprüche versöhnt und der Egoismus des Zeitalters in kalte Asche verwandelt ist. Mein Herz bebte vor Rührung. 24 Ich kann jenes tiefe, grausame Weh verstehen, auf dem Todtenbette mit seiner Liebe zum Leben und seinen Zukunftsträumen zu ringen, sich trennen zu müssen von dem Großen und Edlen, was man noch von sich bewahrheiten und bewähren wollte, und in jener Hand, die sich eben ausstreckte, um ein Reich des Ruhmes und der Ehre zu erobern, den lähmenden Tod zu fühlen! Junger Kämpe, vielleicht warst du ergeben, als sich die Sinne und dein Bewußtsein lösten, vielleicht lächeltest du, schon verklärt über der Menschen ehrgeiziges Rennen und Treiben und dachtest selig, daß Alles eitel wäre, daß auch die Irrthümer, die du bekämpfen wolltest, ja selbst die Dichterträume, die wie Lorbeer schon auf deiner Stirne lagen, an der Pforte der Ewigkeit zerschellen und wie bunte Farben sich in Vergängliches auflösen. Vielleicht vermißtest du, schon im Vorhofe der Ewigkeit, den Nachruf deiner Freunde nicht. Aber sie sind ihn dir schul-25dig; sie müssen dein Andenken mit frischem Rasen belegen und einen Kranz von Immergrün um das bescheidne Kreuz hängen, welches deine Grabstätte bezeichnet. Du gehörtest in die Legion der edlen Streiter für die Sache des Jahrhunderts. Die Menschen, die du haßtest, sollen wissen, wer du warst; und die du liebtest, sollen hören, was sie an dir verloren haben.
In den letzten Tagen des Februar 1835, dieses für die Geschichte unsrer neuern schönen Literatur so stürmischen Jahres, war es, als ich einen Kreis von ältern und jüngern Kunstgenossen und Wahrheitsfreunden bei mir sahe. Wir wollten einen Autor feiern, der bei seiner Durchreise durch Frankfurt am Main nach Literaturart das Handwerk begrüßt und lange genug zurückgezogen gelebt hatte, um uns zu verbergen, daß er im Begriff war, Bücher herauszugeben, welche, ob sie gleich jüdischen Inhalts waren, dennoch von der evangelischen Kirchenzeitung kanonisirt 26] werden sollten. J. Jacoby war dies. Kurz vor Versammlung der Erwarteten erhielt ich aus Darmstadt ein Manuscript nebst einem Briefe, dessen wunderlicher und ängstlicher Inhalt mich reizte, in ersterem zu blättern. Der Brief lautete:
Mein Herr!
Vielleicht hat es Ihnen die Beobachtung, vielleicht, im unglücklicheren Fall, die eigne Erfahrung schon gesagt, daß es einen Grad von Elend gibt, welcher jede Rücksicht vergessen und jedes Gefühl verstummen macht. Es gibt zwar Leute, welche behaupten, man solle sich in einem solchen Falle lieber zur Welt hinaushungern, aber ich könnte die Widerlegung in einem seit Kurzem erblindeten Hauptmann von der Gasse aufgreifen, welcher erklärt, er würde sich todtschießen, wenn er nicht gezwungen sei, seiner Familie durch sein Leben seine Besoldung zu erhalten. Das ist entsetzlich. Sie werden wohl einsehen, daß es ähnliche Verhältnisse geben kann, die Einen ver-27hindern, seinen Leib zum Nothanker zu machen, um ihn von dem Wrack dieser Welt in das Wasser zu werfen, und werden sich also nicht wundern, wie ich Ihre Thüre aufreiße, in Ihr Zimmer trete, Ihnen ein Manuscript auf die Brust setze und ein Allmosen abfordere. Ich bitte Sie nämlich, das Manuscript so schnell wie möglich zu durchlesen, es, im Fall Ihnen Ihr Gewissen als Kritiker dies erlauben sollte, dem Herrn S.. zu empfehlen, und sogleich zu antworten.
Ueber das Werk selbst kann ich Ihnen nichts weiter sagen, als daß unglückliche Verhältnisse mich zwangen, es in höchstens fünf Wochen zu schreiben. Ich sage dies, um Ihr Urtheil über den Verfasser, nicht über das Drama an und für sich, zu motiviren. Was ich daraus machen soll, weiß ich selbst nicht, nur das weiß ich, daß ich alle Ursache habe, der Geschichte gegenüber roth zu werden; doch tröste ich mich mit dem Ge-28danken, daß, Shakespeare ausgenommen, alle Dichter vor ihr und der Natur wie Schulknaben dastehen.
Ich wiederhole meine Bitte um schnelle Antwort; im Falle eines günstigen Erfolgs können einige Zeilen von Ihrer Hand, wenn sie noch vor nächstem Mittwoch hier eintreffen, einen Unglücklichen vor einer sehr traurigen Lage bewahren.
Sollte Sie vielleicht der Ton dieses Briefes befremden, so bedenken Sie, daß es mir leichter fällt, in Lumpen zu betteln, als im Frack eine Supplik zu überreichen und fast leichter, die Pistole in der Hand: la bourse ou la vie! zu sagen, als mit bebenden Lippen ein: Gott lohn’ es! zu flüstern.
G. Büchner.
Dieser Brief, den ich abdrucke, um gleich ein Bild von der Aufregung des Charakters zu geben, dessen Erinnerung wir feiern, den ich auch, unbekümmert um seine noch lebenden, ver-29möglichen Eltern, abdrucke, weil wir die kleine Affektation und das unmotivirte Elend darin bald erklären werden, reizte mich, augenblicklich das Manuscript zu lesen. Es war ein Drama: Dantons Tod. Man sahe es der Produktion an, mit welcher Eile sie hingeworfen war. Es war ein zufällig ergriffener Stoff, dessen künstlerische Durchführung der Dichter abgesetzt hatte. Die Scenen, die Worte folgten sich rapid und stürmend. Es war die ängstliche Sprache eines Verfolgten, der schnell noch etwas abzumachen und dann sein Heil in der Flucht zu suchen hat. Allein diese Hast hinderte den Genius nicht, seine außerordentliche Begabung in kurzen scharfen Umrissen schnell, im Fluge, an die Wand zu schreiben. Alles, was in dem lose angelegten Drama als Motiv und Ausmalung gelten sollte, war aus Charakter und Talent zusammengesetzt. Jenes ließ diesem keine Zeit, sich breit und behaglich zu entwickeln; dieses aber auch 30 jenem nicht, nur bloß Gesinnungen und Ueberschweifungen hinzuzeichnen, ohne wenigstens eine in der Eile versuchte Abrundung der Situationen und namentlich der aus der köstlichsten Stahlquelle der Natur fließenden krystallhellen und muntern Worte. Dantons Tod ist im Druck erschienen. Die ersten Scenen, die ich gelesen, sicherten ihm die gefällige, freundliche Theilnahme jenes Buchhändlers noch an dem bezeichneten Abend selbst. Die Vorlesung einer Auswahl davon, obschon von diesem oder jenem mit der Bemerkung, dies oder das stände im Thiers, unterbrochen, erregte Bewunderung vor dem Talent des jugendlichen Verfassers.
Kaum hatte Georg Büchner einen Erfolg, so erfuhren wir, daß er auf dem Wege nach Straßburg war. Ein Steckbrief im Frankfurter Journal folgte ihm auf der Ferse. Er hatte in Darmstadt, vor seiner Familie sogar, verborgen gelebt, weil er jeden Augenblick be-31fürchten mußte, in eine Untersuchung gezogen zu werden. Er war in jene unglückseligen politischen Wirrnisse verwickelt, welche die Ruhe so vieler Familien untergraben, so vielen Vätern ihre Söhne, und Frauen ihre Gatten genommen haben. Ob ihn Verdacht oder eine vorliegende Beschuldigung verfolgte, weiß ich nicht; man versicherte, daß er den Frankfurter Vorfällen nicht fremd gewesen. Vielleicht hatten ihn auch nur seine in Straßburg früher fortgeführten Studien verdächtig gemacht. Jedenfalls ergab sich, daß Büchner die Partie der Flucht gern ergriff. Er war mit einer jungen Dame in Straßburg versprochen; das Exil, für Andre eine Plage, war Wohlthat für ihn. Er gestand mir ein, daß er die Theilnahme seiner (wahrscheinlich loyalen) Eltern durch seine tollkühnen Schritte auf eine harte Probe stelle, und daß er nicht den Muth hätte, diese abzuwarten. Dies spornte ihn an, sich selbst einen Weg zur bürger-32lichen Existenz zu bahnen und von seinen Gaben die möglichen Vortheile zu ziehen. Daher das verzweifelnde Begleitungsschreiben des Danton: daher das Pistol und die unschuldige Banditenphrase: la bourse ou la vie!
Mehre der aus Straßburg an mich gerichteten Briefe Büchners sind mir nicht mehr zur Hand. Ich hatte indessen große Mühe mit seinem Danton. Ich hatte vergessen, daß solche Dinge, wie sie Büchner dort hingeworfen, solche Ausdrücke sogar, die er sich erlaubte, heute nicht gedruckt werden dürfen. Es tobte eine wilde Sanscülottenlust in der Dichtung; die Erklärung der Menschenrechte wandelte darin, nackt und mit Rosen bekränzt. Die Idee, die das Ganze zusammenhielt, war die rothe Mütze. Büchner studirte Medizin. Seine Phantasie spielte mit dem Elend der Menschen, in welches sie durch Krankheiten gerathen; ja die Krankheiten des 33 Leichtsinns mußten ihm zur Folie seines Witzes dienen. Die dichterische Flora des Buches bestand aus ächten Feld- und aus Quecksilberblumen. Jene streute seine Phantasie, diese seine übermüthige Satyre. Als ich nun, um dem Censor nicht die Lust des Streichens zu gönnen, selbst den Rothstift ergriff, und die wuchernde Demokratie der Dichtung mit der Scheere der Vorcensur beschnitt, fühlt’ ich wohl, wie grade der Abfall des Buches, der unsern Sitten und unsern Verhältnissen geopfert werden mußte, der beste, nämlich der individuellste, der eigenthümlichste Theil des Ganzen war. Lange, zweideutige Dialoge in den Volksscenen, die von Witz und Gedankenfülle sprudelten, mußten zurückbleiben. Die Spitzen der Wortspiele mußten abgestumpft werden oder durch aushelfende dumme Redensarten, die ich hinzusetzte, krumm gebogen. Der ächte Danton von Büchner ist nicht erschienen. Was davon herauskam, ist ein nothdürf-34tiger Rest, die Ruine einer Verwüstung, die mich Ueberwindung genug gekostet hat.
Büchner schrieb im Sommer 1835 an mich:
„Straßburg.
Verehrtester!
Vielleicht haben Sie durch einen Steckbrief im Frankfurter Journal meine Abreise von Darmstadt erfahren. Seit einigen Tagen bin ich hier; ob ich hier bleiben werde, weiß ich nicht, das hängt von verschiedenen Umständen ab. Mein Manuscript wird unter der Hand seinen Kurs durchgemacht haben.
Meine Zukunft ist so problematisch, daß sie mich selbst zu interessiren anfängt, was viel heißen will. Zu dem subtilen Selbstmord durch Arbeit kann ich mich nicht leicht entschließen; ich hoffe, meine Faulheit wenigstes ein Vierteljahr lang fristen zu können, und nehme dann Handgeld entweder von den Jesuiten für den Dienst der Maria oder von den St. Simonisten 35 für die femme libre, oder sterbe mit meiner Geliebten. Wir werden sehen. Vielleicht bin ich auch dabei, wenn noch einmal das Münster eine Jacobiner-Mütze aufsetzen sollte. Was sagen Sie dazu? Es ist nur mein Spaß. Aber Sie sollen noch erleben, zu was ein Deutscher nicht fähig ist, wenn er Hunger hat. Ich wollte, es ginge der ganzen Nation wie mir. Wenn es einmal ein Misjahr gibt, worin nur der Hanf geräth! Das sollte lustig gehen, wir wollten schon eine Boa Constriktor zusammen flechten. Mein Danton ist vorläufig ein seidnes Schnürchen und meine Muse ein verkleideter Samson.“
Der wilde Geist in diesem Briefe ist die Nachgeburt Dantons. Der junge Dichter muß seinen Thiers und Mignet loswerden; er verbraucht noch die letzten Reste auf seiner Farbenpalette, mit welcher er jene dramatischen Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft gemalt hatte. 36 Der Ausdruck ist ihm wichtiger als die Sache. Die revolutionäre Phraseologie reißt ihn hin, für sie nach idealen Unterlagen zu suchen. Er wird bald andere Ansichten haben und sich von jener Unruhe befreien, die man immer spürt, wenn man eben vom Reisewagen absteigt. Der Puls schlägt dann öfter in der Minute, als man Gedanken für jeden Schlag hat. G. Büchner hörte bald auf, von gewaltsamen Umwälzungen zu träumen. Die zunehmende materielle Wohlfahrt der Völker schien ihm auch die Revolution zu verschieben. Je mehr jene zunimmt, desto mehr schwindet ihm eine Aussicht auf diese. Er schrieb mir unter anderm: „Die ganze Revolution hat sich schon in Liberale und Absolutisten getheilt und muß von der ungebildeten und armen Klasse aufgefressen werden; das Verhältniß zwischen Armen und Reichen ist das einzige revolutionäre Element in der Welt, der Hunger allein kann die Freiheitsgöttin und nur ein Moses, der uns die sie-37ben ägyptischen Plagen auf den Hals schickte, könnte ein Messias werden. Mästen Sie die Bauern, und die Revolution bekommt die Apoplexie. Ein Huhn im Topf jedes Bauern macht den gallischen Hahn verenden.“
Inzwischen hatte ich den erschienenen Danton nach Verdienst im Phönix gewürdigt. Büchners Bescheidenheit schmollte, daß ich ihn zu hoch gestellt; er käme in Verlegenheit, meine in seinem Namen gegebenen Versprechungen zu erfüllen. Meine Kritik hatte aber noch eine andre Folge, die für unsre Zustände nicht uninteressant war. Ich erhielt nämlich aus der Schweiz einen anonymen Brief, der allem Anscheine nach von der dortigen jeune Allemagne herrührte und worin mir über mein Lob eines patriotischen Apostaten, wofür Büchner nun schon galt, die heftigsten Vorwürfe gemacht wurden. Es war zu gleicher Zeit der Neid eines Schulkameraden, der sich in dem Briefe ausgällte. Den Verf., den 38 ich wohl errathe, ärgerte das einem ehemaligen Freund gespendete Lob und um seine kleinliche Empfindung zu verbergen, hüllte er sich in pädagogische Vorwände. Der geärgerte Schulkamerad schrieb: „Bei der unbedingtesten Gerechtigkeit, die ich Büchners Genie widerfahren ließ, ist es mir doch nie eingefallen, mich vor ihm in eine Ecke zu verkriechen!“ Darauf folgte ein Erguß über die Eitelkeit, in der nun der Kamerad bestärkt werden würde, eine Versicherung, daß er Büchners wahrer Freund wäre und in einem Postscript – ob ich nicht eine Antikritik abdrucken wollte! Mir schien dies anonyme Treiben so verdächtig, daß ich Büchnern einen Wink gab und von ihm Aufklärung erhielt. Ich will die betreffende Stelle hersetzen; nicht, weil das ganze Verhältniß von Bedeutung ist, sondern weil ich darin eine Abspiegelung von Jugenderinnerungen sehe, die gewiß in vielen Lesern dieses Gedächtnisses auftauchen. Wer hätte nicht 39 in Beziehungen gestanden, wo brechen so schwer, fast unmöglich ist, und wo man durch das freundschaftliche Verhältniß doch nicht erquickt, sondern im Gegentheil nur belästigt wird, und mit Freuden jede Gelegenheit ergreift, sich mit gutem Grund die Last abzuschütteln! Büchner antwortete: „Was Sie mir über die Zusendung aus der Schweiz sagen, macht mich lachen. Ich sehe schon, wo es herkommt. Ein Mensch, der mir einmal, es ist schon lange her, sehr lieb war, mir später zur unerträglichen Last geworden ist, den ich schon seit Jahren schleppe und der sich, ich weiß nicht aus welcher verdammten Nothwendigkeit, ohne Zuneigung, ohne Liebe, ohne Zutrauen an mich anklammert und quält und den ich wie ein nothwendiges Uebel getragen habe! Es war mir wie einem Lahmen oder Krüppel zu Muth und ich hatte mich so ziemlich in mein Leiden gefunden. Aber jetzt bin ich froh, es ist mir, als wäre ich von einer Todsünde ab-40solvirt. Ich kann ihn endlich mit guter Manier vor die Thüre werfen. Ich war bisher unvernünftig gutmüthig, es wäre mir leichter gefallen ihn todt zu schlagen, als zu sagen: Pack dich! Aber jetzt bin ich ihn los! Gott sei Dank! Nichts kommt Einem doch in der Welt theurer zu stehen, als die Humanität.“
Weil sich Büchner mit allen Kräften auf eine akademische Stellung vorbereitete, so konnte er seine Mußezeit nur leichten Arbeiten widmen. Er übersetzte in der Serie von Victor Hugos Werken die Tudor und Borgia mit ächt dichterischer Verwandtschaft zu dem Originale. Einen seiner Briefe, wo er die Schwächen Victor Hugos mit feinem Auge musterte, kann ich nicht wiederfinden. Alfred de Musset zog ihn an, während er nicht wußte, „wie er sich durch V. Hugo durchnagen“ solle, Hugo gäbe nur „aufspannende Situationen“, A. de Musset aber doch „Charaktere, wenn auch ausgeschnitzte.“ 41 Wie wenig er auch arbeitete und erklärte, für den Danton, der so hurtig nicht zu Stande gekommen, wären „die Darmstädtschen Polizeidiener nicht seine Musen gewesen“; so trug er sich doch mit einem Lustspiele, wo Lenz im Hintergrunde stehen sollte. Er wollte viel Neues und Wunderliches über diesen Jugendfreund Goethes erfahren haben, viel Neues über Friederiken und ihre spätere Bekanntschaft mit Lenz.
Büchners spätre Briefe beschäftigen sich meist mit seinen Zukunftsplänen. Sein Herz war gefesselt, er suchte eine Existenz, als Schmied seines Glückes. Er hatte die Medizin verlassen und sich auf die abstrakte Philosophie geworfen. Er schrieb (wie gewöhnlich ohne Datum):
„Straßburg.
Lieber Freund!
War ich lange genug stumm? Was soll ich Ihnen sagen? Ich saß auch im Gefängniß und im langweiligsten unter der Sonne, ich habe eine 42 Abhandlung geschrieben in die Länge, Breite und Tiefe. Tag und Nacht über der ekelhaften Geschichte, ich begreife nicht, wo ich die Geduld hergenommen. Ich habe nämlich die fixe Idee, im nächsten Semester zu Zürich einen Kurs über die Entwickelung der deutschen Philosophie seit Cartesius zu lesen; dazu muß ich mein Diplom haben und die Leute scheinen gar nicht geneigt, meinem lieben Sohn Danton den Doktorhut aufzusetzen.
Was war da zu machen?
Sie sind in Frankfurt, und unangefochten?
Es ist mir leid und doch wieder lieb, daß Sie noch nicht im Rebstöckel, (Straßburger Gasthof) angeklopft haben. Ueber den Stand der modernen Literatur in Deutschland weiß ich so gut als nichts; nur einige versprengte Broschüren, die, ich weiß nicht wie, über den Rhein gekommen, fielen mir in die Hände.
Es zeigt sich in dem Kampf gegen Sie eine 43 gründliche Niederträchtigkeit, eine recht gesunde Niederträchtigkeit, ich begreife gar nicht, wie wir noch so natürlich sein können! Und Menzels Hohn über die politischen Narren in den deutschen Festungen – und das von Leuten! mein Gott, ich könnte Ihnen übrigens erbauliche Geschichten erzählen.
Es hat mich im Tiefsten empört; meine armen Freunde! Glauben Sie nicht, daß Menzel nächstens eine Professur in München erhält?
Uebrigens; um aufrichtig zu sein, Sie und Ihre Freunde scheinen mir nicht grade den klügsten Weg gegangen zu sein. Die Gesellschaft mittelst der Idee, von der gebildeten Klasse aus reformiren? Unmöglich! Unsere Zeit ist rein materiell, wären Sie je directer politisch zu Werke gegangen, so wären Sie bald auf den Punkt gekommen, wo die Reform von selbst aufgehört hätte. Sie werden nie über den Riß zwischen 44 der gebildeten und ungebildeten Gesellschaft hinauskommen.
Ich habe mich überzeugt, die gebildete und wohlhabende Minorität, so viel Concessionen sie auch von der Gewalt für sich begehrt, wird nie ihr spitzes Verhältniß zur großen Klasse aufgeben wollen. Und die große Klasse selbst? Für die gibt es nur zwei Hebel, materielles Elend und religiöser Fanatismus. Jede Parthei, welche diese Hebel anzusetzen versteht, wird siegen. Unsre Zeit braucht Eisen und Brod – und dann ein Kreuz oder sonst so was. Ich glaube, man muß in socialen Dingen von einem absoluten Rechtsgrundsatz ausgehen, die Bildung eines neuen geistigen Lebens im Volk suchen und die abgelebte moderne Gesellschaft zum Teufel gehen lassen. Zu was soll ein Ding, wie diese, zwischen Himmel und Erde herumlaufen? Das ganze Leben desselben besteht nur in Versuchen, sich die entsetzlichste Langeweile zu vertreiben. 45 Sie mag aussterben, das ist das einzig Neue, was sie noch erleben kann.
Sie erhalten hierbei ein Bändchen Gedichte von meinem Freunde Stöber. Die Sagen sind schön, aber ich bin kein Verehrer der Manier à la Schwab und Uhland und der Parthei, die immer rückwärts ins Mittelalter greift, weil sie in der Gegenwart keinen Platz ausfüllen kann. Doch ist mir das Büchlein lieb; sollten Sie nichts Günstiges darüber zu sagen wissen, so bitte ich Sie, lieber zu schweigen. Ich habe mich ganz hier in das Land hineingelebt; die Vogesen sind ein Gebirg, das ich liebe, wie eine Mutter, ich kenne jede Bergspitze und jedes Thal und die alten Sagen sind so originell und heimlich und die beiden Stöber sind alte Freunde, mit denen ich zum Erstenmal das Gebirg durchstrich. Adolph hat unstreitig Talent, auch wird Ihnen sein Name durch den Musenalmanach be-46kannt sein. August steht ihm nach, doch ist er gewandt in der Sprache.
Die Sache ist nicht ohne Bedeutung für das Elsaß, sie ist einer von den seltnen Versuchen, die noch manche Elsässer machen, um die deutsche Nationalität Frankreich gegenüber zu wahren und wenigstens das geistige Band zwischen ihnen und dem Vaterland nicht reißen zu lassen. Es wäre traurig, wenn das Münster einmal ganz auf fremdem Boden stände. Die Absicht, welche zum Theil das Büchlein erstehen ließ, würde sehr gefördert werden, wenn das Unternehmen in Deutschland Anerkennung fände und von der Seite empfehle ich es Ihnen besonders.
Ich werde ganz dumm in dem Studium der Philosophie; ich lerne die Armseligkeit des menschlichen Geistes wieder von einer neuen Seite kennen. Meinetwegen! Wenn man sich nur einbilden könnte, die Löcher in unsern Hosen seien Pallastfenster, so könnte man schon 47 wie ein König leben; so aber friert man erbärmlich.“
Dies Ganze ist die Zusammensetzung zweier Briefe; der letzte Theil ist älter, als der erste. Der Umzug nach Zürich brachte eine momentane Störung hervor. Die Habilitation beschäftigte Büchner, der übermäßig arbeitete; ich drang auf keine Nachrichten, weil ich hoffte, die Zürcher Niederlassung würde gute Wege haben. Inzwischen erkrankte Büchner und starb.
Beweisen nicht schon diese von mir mitgetheilten Brieffragmente, um welch einen reichen Geist mit ihm unsre Nation gekommmen ist? Alles, was er berührte, wußte er in eine bedeutsame Form zu gießen. Er hatte die Rede und den Gedanken stets in gleicher Gewalt und wußte mit einer an jungen Gelehrten so seltenen Besonnenheit, seine Ideen abzurunden und zu krystallisiren. Seine Inaugurationsabhandlung wird als ein seltner Beleg von Gelehrsamkeit 48 und Scharfsinn gerühmt. Büchner würde, wie Schiller, seine Dichterkraft durch die Philosophie geregelt und in der Philosophie mit der Freiheitsfackel des Dichters die dunkelsten Gedankenregionen gelichtet haben. Alle diese Hoffnungen knickte der Sturm. Ein frühes Grab war der Punkt, in welchen sich all die frischen, kühnen Perioden, die wir von einem Jünglinge in diesen Mittheilungen gelesen haben, enden sollten. In dem Trotze, der aus diesem Charakter sprach, lachte der Tod. Der Friedensbogen, der sich über diese gährende Kampfes- und Lebenslust zog, war die Sense des Schnitters, von welcher so frühe gemäht zu werden, uns schmerzlich und fast mit einem gerechten Scheine die Unbill des Schicksals anklagen läßt. Könnt’ ich diese Erinnerungsworte ansehen, als in Stein und nicht in Sand gegraben, daß sie vom Winde nicht verweht werden! Könnt’ ich in künftigen Darstellungen unsrer Zeit, wie sie war, rang, litt 49 und hoffte, wenigstens den Namen: Georg Büchner in der Zahl derjenigen, welche durch ihr Leben und ihr Arbeiten die Entwickelung unsrer Uebergangsperiode bezeichnen, dauernd und mit goldnem Scheine erhalten! Wenn die Fluth der Vergessenheit über uns Alle kömmt, möcht’ er einer der ersten sein, von welchen, wenn der Zorn Gottes verronnen ist, wieder ein grünes Blatt die Friedenstaube in die Arche der dann entscheidenden Gerechtigkeit trägt!
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Die schönste Belohnung, die ich für diesen Nachruf erhalten konnte, waren die saubern Abschriften des poetischen Nachlasses Büchners von der Hand seiner Geliebten. Es ist ein vollendetes Lustspiel Leonin und Lena, in der Weise des Ponce de Leon von Brentano. Sodann das Fragment des Lenz und ein Heft von Briefen, die ohne Absicht geschrieben und 50 doch voll künstlerischen und poetischen Werthes sind. Es findet sich wohl Gelegenheit, einen dieser Schätze nach dem andern bekannt zu machen.
51 III. #
Christian Grabbe.#
53 Deutschland gewöhnte sich nur mit Schmerz an diesen Verlust und rief dem Abgeschiedenen die empfundenste Theilnahme nach. Dasjenige aber, was noch weit schmerzlicher ist, als der Verlust des Mannes, ist dieß, daß mit ihm nichts verloren ging. Denn es war längst entschieden, daß sich Grabbe um die produktive Fähigkeit gebracht hatte. Seine beiden letzten Gedichte: Hannibal und Aschenbrödel standen, einige Gedanken im ersteren abgerechnet, tief unter den Erwartungen, die dieser Name angeregt hatte. Aschenbrödel vollends war eine beklagenswerthe Hudelei, die nicht einmal die Ahnung der Poesie, geschweige irgend ein Gefühl für Schönes und 54 Tiefes verrieth. Grabbe ging an seiner Stellung unter, an der Unfähigkeit, seinen Dichtergeist mit dem bürgerlichen Leben auszugleichen, einer Unfähigkeit, welche die größten, aber auch die unglücklichsten Dichter geschaffen hat. Die Beschreibung, welche Immermann vor mehreren Jahren von Grabbe gegeben hatte, schien uns damals vom Neide eingegeben und lügenhaft medisant; doch wurde sie durch des unglücklichen Mannes spätere Entwicklung bestätigt. Grabbe war damals, als ihn Immermann traf, wahrscheinlich in einem Uebergange auf das, was zuletzt sein Tod wurde, begriffen. Er gab sein Haus und seine Existenz auf, irrte von Stadt zu Stadt, und erbot sich, wehmüthig ist es zu sagen, für eine geringe tägliche Unterstützung monatlich eine Tragödie zu schreiben! Immermann handelte darauf brav gegen ihn, er suchte ihn aufzurichten und der Bildung seiner selbst und der Nation wieder zu gewinnen. Grabbe erholte 55 sich und schrieb seine jüngsten Dramen fertig. Damals erhielt ich einige Belege seines wirren Geistes durch briefliche von ihm selbst herrührende Mittheilungen. Man kann sie ihrer übertriebenen verrückten Persönlichkeiten wegen nicht abdrucken. Sie eröffneten allerdings die Aussicht in ein lebendiges, nicht nur der Kunst, sondern auch der Wissenschaft gewidmetes Leben. Er wollte, um seinen von ihm selbst für verfehlt erklärten Napoleon vergessen zu machen, eine historische Würdigung dieses Helden herausgeben. Den nahe liegenden Gedanken an Friedrich II. ergriff er eben so lebendig. Auch über die Hohenstaufen schienen seine Urtheile, historisch-kritisch, wie er versicherte, weit entfernt zu seyn von denen des Herrn von Raumer. Ja selbst der Jurisprudenz glaubte er eine allgemein anregende Seite abgewinnen zu können. Die Poesie seines Herzens selbst anlangend, so versprach er sich viel von dem Erfolge seiner Herrmannschlacht, eines 56 Stoffes, den er gewiß in handausreckender, keulenmäßiger Weise zu bewältigen suchte. An Anklagen des Publikums, die gerecht genug waren, fehlte es dabei nicht; Ausfälle gegen Autoren, die en vogue waren, bedienten sich der wunderlichsten und heftigsten Ausdrücke. Die Polemik gegen Tieck war eben so witzig wie massiv. Doch wiederholen wir, daß alle diese mit hieroglyphischen Buchstaben geschriebenen Versprechungen und Meinungen aus dem Hirn eines Halbbewußten zu kommen schienen und eher Schmerz und Unbehagen, Ekel sogar als Antheil oder Vergnügen erregten.
Der unglückliche Dichter repräsentirte eine classische Reaktion gegen die Literatur der Restaurations-Periode. Ohne der Messias einer wahren, individuellen Poesie selbst zu seyn, ließ er ihn ahnen und konnte in Zeiten einer allgemeinen Compositionsunfähigkeit und einer dafür Ersatz zu geben suchenden Phraseologie ahnen 57 lassen, was, wenn nicht kommen wird, doch einst schon da gewesen ist. Grabbe konnte in der ästhetischen Agonie der Restaurations-Periode die Erinnerung an Shakespeare und Göthe wach erhalten. Er konnte es mehr als Immermann, da er sein Herzblut springen ließ, einen fiebernden rothen Strahl, der, wenn es sich setzte, doch wieder mehr Lymphe als Blut war. Phantasie, Situation, Combination, selbst Charaktere, alles war dem Dichter gegeben, nur nicht der sanfte Hauch, der still in des wahren Dichters Seele weht, während seine Phantasie die Alpen stürmt. In Grabbe hörte man niemals dieses stille Brausen des receptiven und weiblichen Dichtergeistes, der etwas Ureignes, Angebornes ist, und ohne welchen die wunderbarsten Aufthürmungen der Grabbe’schen Phantasie immer todte Skelette blieben. Hätte Grabbe ihn gehabt, aus seinem Aschenbrödel würde kein so triviales und an poetischen Anschauungen leeres Produkt geworden 58 seyn. Aber was rügen eine Erscheinung, die niemals sicher da war und die auf so rührende Weise hingegangen ist! Grabbe wird eine denkwürdige Episode unserer Literaturgeschichte bleiben.
Apparat#
Götter, Helden, Don-Quixote#
Bearbeitung: Martina Lauster, Exeter#
Von Gutzkows Sammlung Götter, Helden, Don-Quixote ist im Haupttext zunächst nur der erste Teil, Götter, erfasst. Die beiden folgenden Teile, Helden und Don-Quixote, kommen zu einem späteren Zeitpunkt.
1. Textüberlieferung#
1.1. Handschriften#
1.1.1. Übersicht#
Es sind keine handschriftlichen Überlieferungsträger bekannt.
1.2. Drucke #
Die Texte über Zeitgenossen aus dem kulturellen Leben, die Gutzkow 1838 für die Sammlung Götter, Helden, Don-Quixote zusammenstellte, waren von ihm schon zuvor in Zeitschriften veröffentlicht worden. Sie umfassen zum größten Teil Kritiken, die er 1836 für seine Serie Literarische Uebersichten in August Lewalds „Europa“ schrieb, sowie Artikel aus seinen eigenen Frankfurter Journalen, der kurzlebigen „Börsen-Zeitung“ (1836) und ihrem Nachfolger, dem „Frankfurter Telegraph“ bzw. „Beurmann’s Telegraph“ (1837). Zur Aufnahme in den Sammelband unterzog er die Texte meist einer leichten Überarbeitung, fügte aber in den Nachruf auf Georg Büchner (im Teil Götter) bedeutende Passagen aus dessen Briefen ein, die in der → Journalfassung vom Zensor gestrichen worden waren. Andere Darstellungen wie die Heinrich Laubes (im Teil Helden) und die F. A. Löfflers (im Teil Don-Quixote) wurden aus zwei oder mehreren ursprünglichen Beiträgen zusammengesetzt. Einzig bei dem vergleichsweise kurzen Porträt Christian Dietrich Grabbes handelt es sich um eine neue Komposition: Gutzkow schrieb die Würdigung des im September 1836 verstorbenen Dramatikers, um seinen sonst allzu dünn besetzten Teil Götter abzuschließen.
Der Sammelband erlebte als solcher keine weiteren Ausgaben, jedoch verwendete Gutzkow einige der Porträts im Band Oeffentliche Charaktere seiner Werkausgaben wieder. So nahm er 1845 Shelley, Wilhelm Schadow, Friedrich von Raumer und Georg Büchner in den zweiten Band, 1875 dieselben Texte sowie Karl Immermann, Varnhagen von Ense und Henrik Steffens in den neunten Band der Gesammelten Werke auf. Das eigens für Götter, Helden, Don-Quixote verfasste Vorwort wurde nicht wieder veröffentlicht.
Druckgeschichte der einzelnen Bestandteile #
Vorwort. #
Percy Bysshe Shelley #
Georg Büchner#
J K[arl] G[utzkow]: Ein Kind der neuen Zeit. In: Frankfurter Telegraph. Frankfurt/M. Nr. 42, [12.] Juni 1837, S. 329-332; Nr. 43, [14.] Juni 1837, S. 337-340; Nr. 44, [16.] Juni 1837, S. 345-348. (Rasch 3.37.06.12)
E [I. Götter.] II. Georg Büchner. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 19-50. (Rasch 2.17.1.2)
A1 Georg Büchner. In: Karl Gutzkow: Gesammelte Werke. Vollständig umgearbeitete Ausgabe. Bd. 2: Oeffentliche Charaktere. Frankfurt/M.: Literarische Anstalt, 1845. S. 335-350. (Rasch 1.2.2.24)
A2 Georg Büchner. In: Karl Gutzkow: Gesammelte Werke. Erste vollständige Gesammt-Ausgabe. Erste Serie. Bd. 9: Oeffentliche Charaktere. Jena: Costenoble, [1875]. S. 267-278. (Rasch 1.5.9.25)
Christian Grabbe#
E [I. Götter.] III. Christian Grabbe. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 51-58. (Rasch 2.17.1.3)
Wilhelm Schadow #
J1 Vom Verfasser der Oeffentlichen Charaktere: Deutsche Namen. Wilhelm Schadow. In: Frankfurter Telegraph. Frankfurt/M. Neue Folge, Probeheft. Ende März [?] [1837], S. 11-18. [Unvollständiger Druck]. (Rasch 3.37.03.1)
J2 K[arl] G[utzkow]: Wilhelm Schadow. In: Frankfurter Telegraph. Frankfurt/M. Nr. 24, [12.] Mai 1837, S. 329-332; Nr. 25, [13.] Mai 1837, S. 193-197; Nr. 26, [15.] Juni 1837, S. 201-203; Nr. 27, [17.] Mai 1837, S. 209-211. [Vollständiger Erstdruck]. (Rasch 3.37.05.12)
E [II. Helden.] I. Wilhelm Schadow. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 61-94. (Rasch 2.17.2.1)
A1 Wilhelm Schadow. In: Karl Gutzkow: Gesammelte Werke. Vollständig umgearbeitete Ausgabe. Bd. 2: Oeffentliche Charaktere. Frankfurt/M.: Literarische Anstalt, 1845. S. 302-318. (Rasch 1.2.2.22)
A2 Wilhelm Schadow. In: Karl Gutzkow: Gesammelte Werke. Erste vollständige Gesammt-Ausgabe. Erste Serie. Bd. 9: Oeffentliche Charaktere. Jena: Costenoble, [1875]. S. 242-255. (Rasch 1.5.9.23)
Friedrich von Raumer #
J [Anon.:] Deutsche Namen. I. Friedrich von Raumer. In: Frankfurter Telegraph. Frankfurt/M. Nr. 6, [13.] Januar 1837, [S. 3-4]; Nr. 7, [16.] Januar 1837, [S. 3-4]; Nr. 8, [18.] Januar 1837, [S. 3]; Nr. 8, [20.] Januar 1837, [S. 3]. (Rasch 3.37.01.13)
E [II. Helden.] II. Friedrich von Raumer. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 95-126. (Rasch 2.17.2.2)
A1 Friedrich von Raumer. In: Karl Gutzkow: Gesammelte Werke. Vollständig umgearbeitete Ausgabe. Bd. 2: Oeffentliche Charaktere. Frankfurt/M.: Literarische Anstalt, 1845. S. 319-334. (Rasch 1.2.2.23)
A2 Friedrich von Raumer. In: Karl Gutzkow: Gesammelte Werke. Erste vollständige Gesammt-Ausgabe. Erste Serie. Bd. 9: Oeffentliche Charaktere. Jena: Costenoble, [1875]. S. 255-267. (Rasch 1.5.9.24)
J. P. von Rehfues #
J K[arl] G[utzkow]: Die neue Medea. Vom Verfasser des Scipio Cicala [d. i. J. P. von Rehfues]. In: Frankfurter Telegraph. Frankfurt/M. Nr. 20, [15.] Februar 1837, [S. 1-3]. (Rasch 3.37.02.15)
E [II. Helden.] III. J. P. von Rehfues. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 127-148. (Rasch 2.17.2.3)
Karl Immermann #
J K[arl] G[utzkow]: Literarische Uebersichten. II. [Karl Immermann: Die Epigonen.] In: Europa. Leipzig u. Stuttgart. 1836, Bd. 3 [Lfg. 2, Juli], S. 86-89. (Rasch 3.36.07.2)
E [II. Helden.] IV. Karl Immermann. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 95-126. (Rasch 2.17.2.4)
A2 Karl Immermann. In: Karl Gutzkow: Gesammelte Werke. Erste vollständige Gesammt-Ausgabe. Erste Serie. Bd. 9: Oeffentliche Charaktere. Jena: Costenoble, [1875]. S. 282-288. (Rasch 1.5.9.27)
Varnhagen von Ense #
J K[arl] G[utzkow]: Literarische Uebersichten. III. [Karl August Varnhagen von Ense: Galerie von Bildnissen aus Rahels Umgebung und Briefwechsel.] In: Europa. Leipzig u. Stuttgart. 1836, Bd. 3 [Lfg. 3, Juli], S. 133-136 (Rasch 3.36.07.3)
E [II. Helden.] V. Varnhagen von Ense. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 165-182. (Rasch 2.17.2.5)
A2 Varnhagen von Ense. In: Karl Gutzkow: Gesammelte Werke. Erste vollständige Gesammt-Ausgabe. Erste Serie. Bd. 9: Oeffentliche Charaktere. Jena: Costenoble, [1875]. S. 300-306. (Rasch 1.5.9.30)
Leo und Diesterweg #
J K[arl] G[utzkow]: Literarische Uebersichten. VII. [Friedrich Wilhelm Adolf Diesterweg: Ueber das Verderben auf den deutschen Universitäten. – Heinrich Leo: Herr Dr. Diesterweg und die deutschen Universitäten.] In: Europa. Leipzig u. Stuttgart. 1836, Bd. 3 [Lfg. 7, August], S. 326-329 (Rasch 3.36.08.2)
E [II. Helden.] VI. Leo und Diesterweg. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 183-200. (Rasch 2.17.2.6)
H. Heine #
J K[arl] G[utzkow]: H. Heine über den Denunzianten. [Heines Vorrede zum 3. Teil des „Salon“ und seine Abfertigung Wolfgang Menzels.] In: Beurmann’s Telegraph. Frankfurt/M. Nr. 20, [4.] August 1837, S. 153-157. (Rasch 3.37.08.04)
E [II. Helden.] VII. H. Heine. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 201-214. (Rasch 2.17.2.7)
Th. Mundt #
J K[arl] G[utzkow]: Die Kunst der deutschen Prosa. Von Theodor Mundt. In: Frankfurter Telegraph. Frankfurt/M. Nr. 3, [5.] April 1837, S. 17-23. (Rasch 3.37.04.05)
E [II. Helden.] VIII. Th. Mundt. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 215-234. (Rasch 2.17.2.8)
H. Laube #
J K[arl] G[utzkow]: Literarische Uebersichten. XVI. [Die Höfe und Cabinette des 18. Jahrhunderts. Von Fr. Förster. – Geschichte des 18. Jahrhunderts. Von Friedr. Christoph Schlosser. – Reisenovellen. Von Heinrich Laube.] In: Europa. Leipzig u. Stuttgart. 1836, Bd. 4 [Lfg. 4, Oktober], S. 181-183 (Rasch 3.36.10.3)
J K[arl] G[utzkow]: Laubes neueste Novelle: das Glück. In: Beurmann’s Telegraph. Frankfurt/M. Nr. 50, [25.] September 1837, S. 393-397. (Rasch 3.37.09.25)
J K[arl] G[utzkow]: Laubes neue Reisenovellen. In: Frankfurter Telegraph. Frankfurt/M. Nr. 37, [3.] Juni 1837, S. 289-294. (Rasch 3.37.06.03)
E [II. Helden.] IX. H. Laube. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 235-270. [Kompilation der drei unter J verzeichneten Journalpublikationen.] (Rasch 2.17.2.9)
Gustav Schlesier #
J [Anon.]: Frankfurt den 1. December. Die Politik Süddeutschlands. [Rezension von Gustav Schlesier: Oberdeutsche Staaten und Stämme.] In: Frankfurter Börsen-Zeitung. Frankfurt/M. Probeblatt. Januar 1837 [ausgegeben am 10. Dezember 1836]. [S. 2-3]. (Rasch 3.36.12.10)
E [II. Helden.] X. Gustav Schlesier. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 271-288. (Rasch 2.17.2.10)
J. Minckwitz #
J K[arl] G[utzkow]: Literarische Uebersichten. IV. [Briefwechsel zwischen August Graf v. Platen und Johannes Minckwitz. Nebst einem Anhang von Briefen Platens an Gustav Schwab.] In: Europa. Leipzig u. Stuttgart. 1836, Bd. 3 [Lfg. 4, Juli], S. 179-182 (Rasch 3.36.07.4)
E [III. Don-Quixote.] I. J. Minckwitz. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 291-308. (Rasch 2.17.3.1)
Joel Jacoby #
J K[arl] G[utzkow]: J. Jacoby’s Klagen eines Juden. In: Frankfurter Telegraph. Frankfurt/M. Nr. 1, [1.] April 1837, S. 1-5. (Rasch 3.37.04.01)
E [III. Don-Quixote.] II. Joel Jacoby. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 309-324. (Rasch 2.17.3.2)
J. A. Löffler #
J [Anon.]: Preßfreiheit und Censur nach Hegelschen Prinzipien. [Rezension von F. A. Löffler: Ueber die Gesetzgebung der Presse.] In: Minerva. Jena. Bd. 183, (September) 1837, S. 548-587. (Rasch 3.37.09.1)
J K[arl] G[utzkow]: Ueber die Gesetzgebung der Presse. [Von F. A. Löffler. – Paragraphen einer Censurordnung.] In: Beurmann’s Telegraph. Frankfurt/M. Nr. 12, [21.] Juli 1837, S. 89-93; Nr. 13, [22.] Juli 1837, S. 97-101. (Rasch 3.37.07.21)
E [III. Don-Quixote.] III. F. A. Löffler. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 325-394. [Kompilation der beiden unter J verzeichneten Journalpublikationen.] (Rasch 2.17.3.3)
Henrik Steffens #
J K[arl] G[utzkow]: Professor Steffens und die Revolution. [Rezension von Heinrich Steffens: Die Revolution.] In: Beurmann’s Telegraph. Frankfurt/M. Nr. 41, [9.] September 1837, S. 321-324; Nr. 42, [11.] September 1837, S. 329-333; Nr. 43, [13.] September 1837, S. 340-344; Nr. 44, [15.] September 1837, S. 345-348; Nr. 45, [16.] September 1837, S. 353-358. (Rasch 3.37.09.09)
E [III. Don-Quixote.] IV. Henrik Steffens. In: Karl Gutzkow: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. Hamburg: Hoffmann & Campe, 1838. S. 395-451. (Rasch 2.17.3.4)
A2 Henrik Steffens. In: Karl Gutzkow: Gesammelte Werke. Erste vollständige Gesammt-Ausgabe. Erste Serie. Bd. 9: Oeffentliche Charaktere. Jena: Costenoble, [1875]. S. 306-327. (Rasch 1.5.9.31)
2. Textdarbietung#
2.1. Edierter Text#
E. Der Text folgt in Orthographie und Interpunktion unverändert dem ersten Buchdruck. Textsperrungen werden übernommen. Silbentrennstriche (=) werden durch - wiedergegeben. Die Seitenzählung wird mit Klammern [ ] an den betreffenden Stellen in den Text eingefügt.
2.1.1. Texteingriffe #
(zunächst bis einschließlich Christian Grabbe)
24,10 Buches Tuches J, A1 und A2: Buches
2.2. Lesarten und Varianten der einzelnen Bestandteile#
(zunächst ausschließlich für Georg Büchner)
2.2.1. Learten und Varianten: Percy Bysshe Shelley#
2.2.2. Lesarten und Varianten: Georg Büchner#
Zuerst wird der edierte Buchdruck Georg Büchner (E) mit dem Journalerstdruck Ein Kind der neuen Zeit (J) verglichen. Anschließend folgt eine Übersicht der Änderungen von E, die Gutzkow für die Gesammelten Werke (A1 und A2) vornahm.
2.2.2.1. Abweichungen des Buchdrucks E vom Journaldruck J#
Exemplarische kleinere Abweichungen #
Seiten- und Zeilenangaben nach der Sigle J beziehen sich auf den → Edierten Text des Journaldrucks (pdf) in eGWB. Stilistisch weicht die überarbeitete Fassung von J, die Gutzkow für E erstellte, nur geringfügig ab.
Beispielsweise gibt es kleine Modifizierungen in der Interpunktion oder auch im Gebrauch von Sperrungen:
26,23 unmöglich ist, und wo E unmöglich ist und wo J 8,19
26,15 wahrer E wahrer J 8,11
Es finden sich darüber hinaus einige syntaktische oder begriffliche Änderungen, z. B.:
19,5 thatsächlicher E objektiver J 1,6
19,14 Unterbrechung E Pause J 1,15
19,18 an einen öffentlichen Ort E an einen Ort J 1,18
20,21 Aber sie sind ihn dir schuldig E Aber dennoch sind sie ihn dir schuldig J 2,21-22
20,32 nach Literaturart E nach Literatenart J 2,33-34
22,28 Ueberschweifungen E Extravaganzen J 4,31
23,4 Erfolg E Resultat J 5,8
25,34 erfüllen E halten J 7,30
25,15-17 Unruhe [...], die man immer spürt, wenn man eben vom Reisewagen absteigt. Der Puls schlägt dann öfter in der Minute, E
Unruhe [...], die man besonders dann spürt, wenn man eben vom Reisewagen absteigt. Der Puls schlägt öfter in der Minute, J 7,16-17
26,7 ausgällte E aussprach J 8,3
27,17-18 für den Danton, der so hurtig nicht zu Stande gekommen, wären „die Darmstädtschen Polizeidiener nicht seine Musen gewesen“; E
für den Danton, der so hurtig zu Stande gekommen, wären „die NN’schen Polizeidiener seine Musen gewesen;“ J 9,14-15
31,5 wieder ein grünes Blatt E ein grünes Blatt J 12,33
In E wird ein Hinweis auf Büchners Sensualismus etwas abgeschwächt, obwohl er deutlich genug bleibt:
23,30-32 Es tobte eine wilde Sanscülottenlust in der Dichtung; die Erklärung der Menschenrechte wandelte darin, nackt und mit Rosen bekränzt. E
Es tobte eine wilde Sanscülottenlust in der Dichtung; die Erklärung der Menschenrechte wandelte darin auf und ab, nackt und nur mit Rosen bekränzt. J 5,35-6,3
Gutzkow korrigierte in E vermutliche, allerdings nicht sinnentstellende, Setzfehler von J:
22,19 abgesetzt E abgehetzt J 4,21
30,25-26 Zu dem Trotze, der aus diesem Charakter sprach, lachte der Tod. E
In dem Trotze, der aus diesem Charakter sprach, lachte der Tod. J 12,19-20
Ferner berichtigte er einen Irrtum in Bezug auf die Gattung von Büchners „Lenz“, einem Werk, das er zur Zeit des Nachrufs noch nicht kannte, das er dann aber als Teil des Nachlasses 1839 im „Telegraph für Deutschland“ veröffentlichen konnte:
27,29 mit einer Novelle E mit einem Lustspiele J 9,16
Geänderte Hinweise auf den Zugriff, den Gutzkow auf einige an ihn gerichtete Briefe Büchners hatte, zeigen, dass ihm diese abhanden gekommen waren und nicht, wie er noch 1837 andeutete, nur momentan unauffindbar waren:
23,27 sind mir nicht mehr zur Hand E
sind mir im Augenblicke nicht zur Hand J 5,31
27,12 kann ich nicht wiederfinden E
kann ich leider nicht wiederfinden J 9,9-10
Änderungen am Text von Büchners Briefen#
In einigen Fällen weicht der Abdruck von Briefpassagen in E von dem ersten in J ab (nicht erfasst ist hier die Schreibweise dies in E, wo in J dieß steht):
17,6 todt zu schlagen E todtzuschlagen J 9,1
21,20 werfen, E werfen J 3,19
21,23 so schnell wie möglich E so schnell als möglich J 3,24
24,24 ob ich hier bleiben werde E ob ich bleiben werde J 6,34
24,31 Verehrtester! E Verehrtester! J 6,30
27,28 Straßburg E Straßburg J 10,17 (gesperrt und nicht verkleinert)
29,11 hierbei E hiermit J 11,1
29,18 liebe, E liebe J 11,8
29,30 stände E stünde J 11,20
30,5 leben; E leben, J 11,28
Kürzungen #
Die teilweise gravierenden inhaltlichen Änderungen von E gegenüber J bestehen in Kürzungen und Erweiterungen des Textes. Gutzkow strich Wörter oder Passagen des Journaldrucks, die für die Buchausgabe nicht mehr aktuell waren. So wurde der Hinweis im Nachruf:
aus dem nahen Darmstadt J 1,27,
der sich auf die geringe Entfernung von Büchners Wohnort zu Gutzkows Redaktionssitz in Frankfurt bezog, einfach zu:
21,4 aus Darmstadt E.
Getilgt oder gekürzt wurden auch Hinweise auf den Zusatztitel, mit dem der Buchdruck von Büchners „Danton“ 1835 erschienen war: „Dramatische Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft“. Diesen hatte der Herausgeber des „Phönix“, Eduard Duller (in J: der Verf. der fortgesetzten Döring’schen Phantasiegemälde), aus Verkaufsgründen hinzugefügt:
An dem merkantilischen Titel jedoch: „dramatische Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft“ bin ich unschuldig. Diesen setzte der Verf. der fortgesetzten Döring’schen Phantasiegemälde darauf. Verklärter Geist, hier wasch’ ich meine Hände in Unschuld! J 6,23-27, E gestrichen
mit welcher er, wie der prosaische Titelgeber gesagt: die „dramatischen Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft“ gemalt hatte J 7,10-12
25,10-12 mit welcher er jene dramatischen Bilder aus Frankreichs Schreckensherrschaft gemalt hatte E
Auch die im Nachruf ausgesprochene Hoffnung, der Nachlass Büchners möge in gute Hände geraten sein, entfiel in E, da Gutzkow sich bereits selbst um die literarische Hinterlassenschaft Büchners kümmerte:
Ich höre, daß sich in seinem Nachlaße Einiges von der Ausarbeitung dieses Stoffes vorgefunden haben soll. Möchte es in fromme Hände gekommen sein , die es durch geordnete Herausgabe zu ehren wissen! J 9-19-22, E gestrichen
Im Journaldruck folgt auf die Erwähnung des Nachlasses eine Passage, die sich mit Büchners geplanter Teilnahme an der von Gutzkow und Wienbarg herausgegebenen „Deutschen Revue“, der Unterdrückung dieser Zeitschrift im Gefolge der Wallystürme, Gutzkows Mannheimer Gefängnishaft und Büchners freundschaftlicher Loyalität während dieser Zeit befasst. Gutzkow nahm sie nicht in E auf:
Die deutsche Revue, welche von Wienbarg und mir herausgegeben werden sollte, ließ’ eine interessante Geschichte ihres Auf- und Unterganges zu. Ich hatte Lust, sie unter dem Titel: Lebenslauf eines Embryo herauszugeben, wollte aber discreter sein, als die noblen Herren waren, die darin hätten aufgeführt werden müssen. Die Materialien liegen jedoch geordnet dazu da, autographisches Zeug, von welchem bei den Protestationen nur das Unterfutter, welches man plötzlich herauskehrte, sichtbar wurde. G. Büchner sprach dem Unternehmen Muth zu. Er wollte hülfreiche Hand leisten. Seine Motive zu dem Glauben an einen guten Fortgang sind aber zu persönlich, als daß ich sie wiedergeben könnte. Die auf mich hereinbrechenden Wallystürme machten dem sorglosen Streben für eine Sache, die in ihrem Grunde besser war, als ihr öffentlicher Widerschein, ein frühes Ende. Allein auch in Mannheim blieb Georg Büchner dem Freunde treu. Seine Besorgniß irrte um die Haft, welche ihn traf, wie eine Braut umher. Er wandte List über List an, um ihm zu rathen und gleichsam aus der Ferne mit einem Tuche zu winken. Er kannte die Lokalität und schilderte sie mit einer Einbildungskraft, als wär’ er selbst zugegen. Wär’ ich seinem ängstlichen Mißtrauen gefolgt, so würd’ ich ihm, dem frühvollendeten, vielleicht mit eigner Hand Züricher Erde als frommen leidtragenden Tribut der Freundschaft auf seinen Sarg nachgeworfen haben. J 9,23-10,11; E gestrichen
Eine Streichung erfuhr auch die allgemeine Ausführung zum Vorteil eines unbefangen prüfenden Denkens:
Seine Inaugurationsabhandlung wird als ein seltner Beleg von Gelehrsamkeit und Scharfsinn gerühmt; wie es denn nichts geben kann, was dem Denker mehr einen Erfolg sichert, als eine solche Freiheit des Geistes, eine solche dilettantische Unbefangenheit von Vorurtheilen, wenn sie sich einmal auf einen gegebenen Stoff wirft und eine Tradition todter Fakultätsbegriffe in ihrer lebendigen Weise prüft und sichtet. J 12,7-13
30,17-19 Seine Inaugurationsabhandlung wird als ein seltner Beleg von Gelehrsamkeit und Scharfsinn gerühmt. E
Zusätze #
Bei der Bearbeitung des Textes für die Buchgausgabe konnte Gutzkow die Vorsicht fallen lassen, die er beim Journalerstdruck in Bezug auf einen gewissen politischen Renegaten walten ließ – dieser findet im übrigen auch als einer der Don-Quixote in E seinen Platz. Nach dem Hinweis auf dessen Werke, die von der evangelischen Kirchenzeitung kanonisirt werden sollten (J 3,3-4, E 21,1-2), fügt er den Satz hinzu:
21,3 J. Jacoby war dies. E
Ähnliches gilt für die in J unterdrückte Benennung der Polizei, vor der Büchner sich während der Verfassung des „Danton“ versteckte:
die NN’schen Polizeidiener] J 9,15
27,18 die Darmstädtschen Polizeidiener E
Die Zusätze aus Büchners Briefen#
In der Buchausgabe, die keiner Vorzensur unterlag, konnte Gutzkow vor allem lange Passagen aus den von ihm empfangenen Briefen Büchners hinzufügen, die der Zensor des „Frankfurter Telegraphen“ gestrichen hatte. Es handelte sich um politisch, sozial und moralisch explizite, prägnante Aussagen des Briefschreibers sowie um seine berühmt gewordene Kritik am Idealismus der jungdeutschen Autoren.
Ein im Journaldruck gekürzter Satz Büchners wurde vervollständigt:
ich hoffe, meine Faulheit wenigstes ein Vierteljahr lang fristen zu können, und dann sterbe ich mit meiner Geliebten.“ J 7,5-7
24,29-33 ich hoffe, meine Faulheit wenigstes ein Vierteljahr lang fristen zu können, und nehme dann Handgeld entweder von den Jesuiten für den Dienst der Maria oder von den St. Simonisten für die femme libre, oder sterbe mit meiner Geliebten. E
In E folgt darauf der Rest des Briefzitates, der in J gänzlich der Zensur zum Opfer gefallen war:
24,33-25,7 Wir werden sehen. Vielleicht bin ich auch dabei, wenn noch einmal das Münster eine Jacobiner-Mütze aufsetzen sollte. Was sagen Sie dazu? Es ist nur mein Spaß. Aber Sie sollen noch erleben, zu was ein Deutscher nicht fähig ist, wenn er Hunger hat. Ich wollte, es ginge der ganzen Nation wie mir. Wenn es einmal ein Misjahr gibt, worin nur der Hanf geräth! Das sollte lustig gehen, wir wollten schon eine Boa Constriktor zusammen flechten. Mein Danton ist vorläufig ein seidnes Schnürchen und meine Muse ein verkleideter Samson.“ E
Nach
Aussicht auf diese. E 25,21, J 7,22
folgt in E der Zusatz:
25,21-30 Er schrieb mir unter anderm: „Die ganze Revolution hat sich schon in Liberale und Absolutisten getheilt und muß von der ungebildeten und armen Klasse aufgefressen werden; das Verhältniß zwischen Armen und Reichen ist das einzige revolutionäre Element in der Welt, der Hunger allein kann die Freiheitsgöttin und nur ein Moses, der uns die sieben ägyptischen Plagen auf den Hals schickte, könnte ein Messias werden. Mästen Sie die Bauern, und die Revolution bekommt die Apoplexie. Ein Huhn im Topf jedes Bauern macht den gallischen Hahn verenden.“ E
Nach
fielen mir in die Hände. E 28,11, J 10,34
folgen in E mehrere neue Absätze:
28,12-29,10 Es zeigt sich in dem Kampf gegen Sie eine gründliche Niederträchtigkeit, eine recht gesunde Niederträchtigeit, ich begreife gar nicht, wie wir noch so natürlich sein können! Und Menzels Hohn über die politischen Narren in den deutschen Festungen – und das von Leuten! mein Gott, ich könnte Ihnen übrigens erbauliche Geschichten erzählen.
Es hat mich im Tiefsten empört; meine armen Freunde! Glauben Sie nicht, daß Menzel nächstens eine Professur in München erhält?
Uebrigens, um aufrichtig zu sein, Sie und Ihre Freunde scheinen mir nicht grade den klügsten Weg gegangen zu sein. Die Gesellschaft mittelst der Idee, von der gebildeten Klasse aus reformiren? Unmöglich! Unsere Zeit ist rein materiell, wären Sie je directer politisch zu Werke gegangen, so wären Sie bald auf den Punkt gekommen, wo die Reform von selbst aufgehört hätte. Sie werden nie über den Riß zwischen der gebildeten und ungebildeten Gesellschaft hinauskommen.
Ich habe mich überzeugt, die gebildete und wohlhabende Minorität, so viel Concessionen sie auch von der Gewalt für sich begehrt, wird nie ihr spitzes Verhältniß zur großen Klasse aufgeben wollen. Und die große Klasse selbst? Für die gibt es nur zwei Hebel, materielles Elend und religiöser Fanatismus. Jede Parthei, welche diese Hebel anzusetzen versteht, wird siegen. Unsre Zeit braucht Eisen und Brod – und dann ein Kreuz oder sonst so was. Ich glaube, man muß in socialen Dingen von einem absoluten Rechtsgrundsatz ausgehen, die Bildung eines neuen geistigen Lebens im Volk suchen und die abgelebte moderne Gesellschaft zum Teufel gehen lassen. Zu was soll ein Ding, wie diese, zwischen Himmel und Erde herumlaufen? Das ganze Leben desselben besteht nur in Versuchen, sich die entsetzlichste Langeweile zu vertreiben. Sie mag aussterben, das ist das einzig Neue, was sie noch erleben kann. ] E
2.2.2.2. Abweichungen in A1 von E#
Es bestehen bis auf den Schluss des Textes keine bedeutenden Abweichungen zwischen den Fassungen E von 1838 und A1 von 1845.
In A1 tauschte Gutzkow nochmals den Begriff aus, der in J (5,8) Resultat hieß, in E (23,4) zu Erfolg geworden war und schließlich in A1 (und A2) zu Bescheid wurde.
Den wichtigsten Unterschied zu E bildet in A1 ein Nachtrag. Unter einer Trennlinie zum Text ist abschließend ein Abschnitt hinzugefügt, mitsamt einem Zitat aus Georg Herweghs Gedicht „Zum Andenken an Georg Büchner, den Verfasser von Dantons Tod“, das zuerst 1841 in Lewalds „Europa“ mit einer Widmung an Gutzkow veröffentlicht worden war, dann ohne die Widmung in Herweghs „Gedichte eines Lebendigen“ aufgenommen wurde und ein wirkmächtiges Zeugnis in der frühen Büchner-Rezeption darstellt (vgl. Martin, S. 53). Gutzkow weist in dem Nachtrag jedoch zuerst auf das Nachlassmaterial hin, das ihm Büchners Braut Minna Jaeglé im Anschluss an den Nachruf von 1837 übergeben hatte. Im „Telegraph für Deutschland“ hatte Gutzkow 1838 „Leonce und Lena“ auszugsweise, „Lenz“ 1839 vollständig veröffentlicht. Der Nachtrag lautet:
Die schönste Belohnung, die ich für diesen Nachruf erhalten konnte, waren die saubern Abschriften des poetischen Nachlasses Büchners von der Hand seiner Geliebten. Es ist ein vollendetes Lustspiel Leonie [recte: Leonce] und Lena, in der Weise des Ponce de Leon von Brentano. Sodann das Fragment des Lenz und ein Heft von Briefen, die ohne Absicht geschrieben und doch voll künstlerischen und poetischen Werthes sind.
Herwegh sang von ihm in einem größeren schönen Gedichte:
– Es bricht die müde Brust in Staub!
Und mit ihr wieder eine Freiheitsstütze;
Aufs stille Herz fällt die gelähmte Hand,
Daß sie im Tod noch vor der Welt es schütze!
Und die so reich vor seinem Geiste stand,
Er darf die Zukunft nicht zur Blüthe treiben
Und seine Träume müssen Träume bleiben;
Ein unvollendet Lied sinkt er ins Grab,
Der Verse schönsten nimmt er mit hinab.
2.2.2.3. Änderungen in A2 #
Zur Aufnahme in die Gesammelten Werke 1873-76 fügte Gutzkow 1875 dem Titel Georg Büchner (E und A1) das Erscheinungsjahr des ursprünglichen Nachrufs, 1837, hinzu. Er änderte den Text durch Straffungen und Streichungen. Das auffälligste Merkmal ist der Fortfall vieler Absatzeinschnitte, die in den vorigen Fassungen bestanden, besonders vor und nach den Briefzitaten, aber auch innerhalb der Briefe selbst.
Gutzkow entschärfte die jungdeutschen Anklänge und Reminiszenzen, die in A1 aus E übernommen worden waren:
Es tobte eine wilde Sanscülottenlust in der Dichtung; die Erklärung der Menschenrechte wandelte darin, nackt und mit Rosen bekränzt. A1, E 23,30-32
Es tobte Sanscülottenlust in der Dichtung; die Erklärung der Menschenrechte wandelte darin, mit Rosen bekränzt, aber nackt.] A2
1835, dieses [...] so stürmischen Jahres] A1, E 20,28-29
1835, dieses [...] etwas stürmischen Jahres] A2
Hinweise auf die emotionale Teilnahme Gutzkows an Büchners jäh abgeschnittenem Werdegang werden versachlicht oder können ganz entfallen:
Um die Wehmuth zu verstehen, welche diesen Nachruf an einen früh vollendeten jungen deutschen Dichter durchbebt A1, E 19,1
Um den Ton zu verstehen, worin dieser Nachruf an einen früh vollendeten jungen deutschen Dichter gehalten ist] A2
Mein Herz bebte vor Rührung E 20,6 und A1; A2 gestrichen
Das Herwegh-Zitat am Schluss des Nachtrags in A1 ist in A2 auf folgende zwei Verse reduziert:
Ein unvollendet Lied sinkt er ins Grab,
Der Verse schönsten nimmt er mit hinab.
3. Quellen, Bezugstexte #
(zunächst ausschließlich für Georg Büchner)#
Als Quelle lag Gutzkow – außer den Korrespondenzen mit Büchner in seinem Besitz – der Nachruf auf Büchner vom Mai 1837 zugrunde, den Karl Buchner in den „Literarischen und kritischen Blättern der Börsen-Halle“ veröffentlicht hatte. Dieser wiederum enthiellt einen Abruck des „Nekrologs“, den Wilhelm Schulz kurz nach dem Tod seines Freundes Büchner im Februar 1837 im „Schweizerischen Republikaner“ publizierte. Buchners Nachruf findet sich im → Apparat von J.
5. Rezeption #
Die im folgenden wiedergegebenen Dokumente zur Rezeptionsgeschichte gelten für die Sammlung Götter, Helden, Don-Quixote insgesamt.
Die (auszugsweise) Textwiedergabe der Rezeptionsdokumente folgt zeichen- und buchstabengetreu der Vorlage; anders als in den Edierten Texten der Ausgabe werden Druckfehler jedoch stillschweigend berichtigt, ausgefallene Lettern in eckigen Klammern ergänzt.
5.1. Dokumente zur Rezeptionsgeschichte #
5.1.1. Ludwig Wihl im „Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten“, 29. Juni 1838#
[Ludwig Wihl:] Literarische Streifzüge. II. Poesie und Prosa. In: Staats und Gelehrte Zeitung des Hamburgischen unpartheiischen Correspondenten. Hamburg. Nr. 152, 29. Juni 1838, [S. 5-6; Auszug S. 6]. (Rasch 14/17.38.06.29)
[Der Verfasser geht zunächst auf die von Theodor Mundt in „Die Kunst der deutschen Prosa“ (ersch. 1837) vertretene Ansicht ein, die moderne Literatur, namentlich die der Jungdeutschen, habe in der Prosa ihren vollkommenen Ausdruck gefunden und alles Poetische in sich aufgenommen. Diese Sicht wird als „anmaßende Selbstgefälligkeit“ kritisiert, da sie die gleichzeitige Blüte der Lyrik, z. B. in der sog. Schwäbischen Dichterschule, außer Acht lasse.]
Ein einziger Schriftsteller dieser Fraction [d. h. der ‚jungen Literatur‘], der am Meisten geliebt und gesündigt hat, hat sich nicht hinter solchen schwachen Batterieen versteckt; er war und ist aufrichtig genug, die schwache Seite seiner Partei, ihr lahmes Bein, für keinen großen, bisher nicht gekannten Vorzug auszugeben. Ja, Carl Gutzkow muß es eingeräumt werden, daß er zu viel Sinn und Achtung für poetische Schönheit und Größe hat, als daß er sich hätte so weit verirren können, auch hier mit einigen Tonangebern des jungen Deutschlands Chorus zu machen. Indem er zu Göthe hinaufsah, indem er den Faltenwurf seines göttlichen Mantels studirte und in seinem bekannten schön geschriebenen Buche auf ihn als künstlerischen Anhaltspunkt für die aufstrebende Generation hinwies, konnte er unmöglich einen Kreuzzug gegen die Musik der gebundenen Rede predigen. Auf ihn setzen wir – wir gestehen es aufrichtig – das größte Vertrauen, von ihm erwarten wir zumeist eine Bereicherung der National-Literatur. Wir sind eben so wenig blind für seine Fehler, als für die der Andern, ja er hat vielleicht deren mehr, wie sie, aber auch um so größere Vorzüge. Er ist entschiedener, kühner, ernster. Ist sein Styl auch nicht so leicht wie der Laube’sche, nicht so gestreckt und ausgeglättet wie der Mundt’sche, so ist er doch ursprünglicher, eigenthümlicher, aus dem Gegenstand herausgeborner. Laube und Mundt sind mehr Nachahmer, wenn auch tüchtige, Gutzkow mehr Original. Da sich Gutzkow in dem eben erschienenen Buche: „Götter, Helden, Don Quixote“, entschieden gegen die eben gerügte Anmaßung ausgesprochen hat, so glauben wir an die hierher gehörige Stelle am Besten unsere Bemerkungen anküpfen zu können.
[Es folgt ein Zitat aus Gutzkows Aufsatz über Mundt von Die gegenwärtige deutsche Literatur bis Sie sagen, es gäbe literarische Keime nur noch in der Prosa, nicht im Verse.]
Wir haben diese Stelle gern allegirt, obgleich wir mit dem ganzen Sinn derselben nicht einverstanden sind; sie enthält eine halbe, keine ganze Wahrheit. Gutzkow fingirt absichtlich einen Streit zwischen zwei Fractionen, und will dadurch einer Literatur eine Ebenbürtigkeit zugestehen, die ihr erst die Zeit ertheilen konnte. Wir glauben nicht, daß Uhland, oder auch Gustav Schwab mit Laube, Mundt oder Wienbarg rivalisiren wollten. Jene hatten und haben ein Recht zu seyn, weil ihre Lieder in die Herzen des deutschen Volks eingedrungen, diese mußten sich erst den Weg eröffnen. [...]
5.1.2. Berthold Auerbach in „Europa“, September 1838 #
[Berthold] A[uerbach]: Götter, Helden, Don Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. In: Europa. Stuttgart. 1838, Bd. 3 [September], S. 421-422. (Rasch 14/17.38.09.1)
Ein bengalisches Titelfeuer auf [sic] zusammengelesenen Journalartikeln. Das Buch ist ein Nachtrag zu den ,,Beiträgen zur Geschichte der neuesten Literatur“, von demselben Verfasser. Es ist allerdings Niemandem zu verargen, wenn er sich vor dem traurigen Loose zu bewahren sucht, sein Talent in den fliegenden Tagsblättern zu zerbröckeln, und dagegen die in einzelnen Momenten gegebenen Aeußerungen in einem einheitsvollen Ganzen zusammenzufassen strebte; dieses ergibt sich aber nur, wenn die literarischen und politischen Tageserscheinungen umfassender, als die Tagesdebatte gegeben ist, erörtert werden. Gutzkow hat dieß nicht nöthig zu haben geglaubt, und ich mag keine weitläufige Critik über ein Buch der Critiken schreiben. Unter der Aufschrift Götter finden wir Shelley, Georg Buchner [sic] und Grabbe. Unter die Helden sind rangirt: W. Schadow, F. v. Raumer, J. v. Rehfues, Immermann, Varnhagen v. Ense, Leo und Diesterweg, Heine, Mundt, Laube und endlich G. Schlesier. Zu Don Quixote werden gerechnet: J. Minkwitz, J. Jacoby, F. Löffler und Henrik Steffens. Gutzkow hat, außer etwa Buchner, fast keinen dieser Schriftsteller in seiner Totalität gefaßt, es ist [422] fast immer nur ein so eben erschienenes Buch, an das er seine Bemerkungen anknüpft. Ueber die literarische Epoche (wenn man es so nennen kann) hat Gutzkow nicht abgestimmt, sonst hätte er Rückert, Börne und viele Andere nicht vergessen dürfen.
Trotz aller Subjectivität des Urtheils und des Standpunktes bei Gutzkow, kann man in diesen zusammengedruckten Critiken dennoch den Fortschritt bemerken, daß Gutzkow nicht mehr räsonnirt: N. N. arbeitet bei kaltem Caffee, und daher das Abgestandene, Süßliche etc. seiner Gedanken so wie seiner Diction; er bespricht nun doch mehr das Buch, als die zufällige Erscheinung des Autors.
Es wäre unerquicklich, wenn die bändereiche Critik noch mehr anschwellen sollte; was sollen solche Bücher, die fast nur für Literaten Interesse haben? Wir hoffen Gutzkow bald wieder auf einem freien, schöpferischen Gebiete begegnen zu können, wo wir erwarten dürfen, auf dauernde Resultate hindeuten zu können.
5.1.3. Blätter für literarische Unterhaltung, 9. Oktober 1838#
39.: Götter, Helden, Don-Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. In: Blätter für literarische Unterhaltung. Leipzig. Nr. 282, 9. Oktober 1838, S. 1147-1148. (Rasch 14/17.38.10.09)
Als vor drei Jahren und länger Gutzkow’s „Öffentliche Charaktere“ erschienen, fand seine Betrachtungsweise der Persönlichkeiten wo nicht Beifall, doch mindestens weniger Widerspruch, als die literarische Thätigkeit Gutzkow’s sonst bei den Unbefangenen hervorzurufen, ja selbst den Befangenern abzunöthigen pflegt. Der Wellenschlag seiner Kritik, der, Cabinetsintriguen und Conseilpolitik überflutend, sich nur an den mit Chiffren bedeckten Säulen der Staatsgeheimnisse brach, rauschte für die Ohren Vieler zu mächtig, als daß sie für nöthig befunden hätten, seine Tiefe zu untersuchen, oder gar geneigt gewesen wären, die häufigen Brechungen von Gutzkow’s Reflexionen den kaum bedeckten Klippen zuzuschreiben, die zahlreich unter ihnen verborgen lagen. Man war den Ton seiner Charakteristik im Grunde genugsam aus dem der französischen Kammerverhandlungen gewohnt; er hatte diesen nur potenzirt und die dort übliche Sophistik zu einer ungewöhnlichen, aber nichts weniger als verdienstlichen Höhe der technischen Fertigkeit gesteigert; in dem gefährlichen Gaukelspiel mit den Messern der Thesen und Antithesen hatte er sich bis zu der Meisterschaft eines indischen Jongleurs emporgearbeitet. Aber bei dem Allen nahm jede Darstellung in dem Buche doch ihren gehörigen Verlauf, der dialektische Proceß schritt noch in einem gewissen Ebenmaße vorwärts, und man wurde zu einem Resultate geführt, das, wenn auch nicht den Stempel der Wahrheit, doch eine Farbe trug, die mit seinen Prämissen in Übereinstimmung stand. Wenn man, geblendet von dem gauklerischen Glanze, betäubt von dem stürmischen Wellenschlage, am Schlusse einer Charakteristik angelangt war, so konnte man doch, nach einiger Zeit beruhigt, sich eine Ansicht, ein Bild von der Totalität eines Charakters und seiner Tendenzen entwerfen; denn das Buch selbst hatte einen Charakter und eine Tendenz.
[1148] Jetzt liegen uns literarische Charaktere: „Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche“, vor, über die wir ungünstiger uns auszusprechen gedrungen sind. Die Dialektik ist hier auf die Höhe einer Unnatürlichkeit getrieben, wo sie dieses Namens völlig unwürdig geworden ist: es ist ein unreines Hinüber- und Herüberreden, eine Reihe unaufgelöster Dissonanzen, die ein dann und wann durchtönender Accord nur desto widriger macht, eine unerquickliche Behandlung der Gedanken, die, jetzt auf die Spitze getrieben, jetzt zurückkehrend den Leser in Athem setzen, ihnen zu folgen, und doch am Ziele des Laufs, statt die gewünschte Klarheit zu geben, nur in einige blendende Schlaglichter, ja oft Irrlichter ausgehen. Aber freilich ist dies auch ganz die Dialektik, wie sie Gutzkow in seiner Schrift über „Goethe im Wendepunkte zweier Jahrhunderte“ definirt als die Kunst, sich in die Speculation mit mehr oder weniger Individualität zu verlieren und aus diesem Mehr oder Weniger, aus dieser kürzern oder längern Perspective des Auges, aus dieser Wendung nach rechts oder links hin von einem einzigen Gedanken alle nur möglichen Resultate, Nuancen und stylistischen Schönheitsformen zu gewinnen. Man sieht, es ist ihm nicht um den wahren Gedanken zu thun, der sich zerlegt und wieder in sich zurückkehrt, um, ein erhöhter, sich zu erneuen; es ist vielmehr eine Bustrophedonschrift, die von links nach rechts und von rechts wieder nach links geht und zu einem Ende, aber zu keinem Schlusse führt.
Im Einzelnen manifestirt sich diese Betrachtungsweise wiederum verschieden. Voran stehen die Götter: Shelley, Büchner, Grabbe. Der ins Elegische überstreifende Ton, mit welchem von frühzeitig untergegangenen genialen Dichtern gesprochen wird, hat bei der Charakteristik des Zuletztgenannten einen seltsamen Beiklang. „Dasjenige“, heißt es, „was noch schmerzlicher ist als der Verlust des Mannes, ist dies, daß mit ihm nichts verloren ging.“ Und nun wird dieses Thema in der bekannten Reflexionsmanier so fortvariirt, und auf der fünften Seite mit dem Satze geschlossen: „Grabbe wird eine denkwürdige Episode unserer Literaturgeschichte bleiben.“ Und doch steht er unter den Göttern? Wol hätte die Apotheose eine andere Würdigung erheischt als einige beiläufige Worte über die Schwäche seiner beiden letzten Gedichte und die Misstände seiner Intentionen. Hat Gutzkow hier eine Basis, eine vorhandene, unbeleuchtet gelassen, so ist es bei Büchner fast umgekehrt der Fall. Dort zimmert er eine aus Fragmenten zusammen. Um zu den Genien gezählt zu werden, die den Göttern nahe stehen, reichen einige kühne und sichere Griffe in das Reich der Kunstgestalten nicht hin; der Genius ist der Träger einer weltgeschichtlichen Idee, der Schöpfer einer neuen Art, nicht ein bloßer Producent neuer Gedanken. Das Streben macht es nicht, sondern das Bewußtsein. Gutzkow bemüht sich, ein Leben, das nur von jenem zeugt, zu einem genialen zu stempeln, und doch kann weder jenes Streben noch dieses Bemühen den Ehrenplatz zwischen Shelley und Grabbe in der That rechtfertigen.
Verschiedenartiger in Ton und Behandlung sind die Aufsätze der zweiten Serie. Der erste, über Schadow, verbreitet sich zugleich über die Differenzpunkte der düsseldorfer und münchener Kunstschulen und geht vom Meister auf die Schüler über; ein anderer, über Heine, ist dagegen im Grunde nichts als eine oft allzu nüchterne, sich wiederholende Paraphrase des alten Wortes, daß ein deutscher Poet kein Geld habe: bei beiden erwartet man Anderes. Bei Raumer blickt durch die Rechtfertigung viel Schärfe, bei Rehfues durch den Tadel viel Milde durch; aus Varnhagen’s „Galerie von Bildnissen“ und aus Laube’s „Reisenovellen“ wird Anlaß zu bittern Worten über Gentz genommen. Die am richtigsten und billigsten würdigenden Aufsätze scheinen uns die über Immermann und Laube zu sein; und doch weicht rücksichtlich des Letztern schon die Vorrede von der früher geschriebenen Charakteristik ab. In der letztern heißt es noch: „Laube ist auf dem Punkte, die Schwächen des Liberalismus zu durchschauen, die Literatur von den Erinnerungen an 1830 zu erlösen, neue Ausdrücke für alte Dinge und neue Begriffe für alte Worte zu schaffen.“ Wie ganz anders in dem resumirenden Vorworte: „Ein Anderer möchte an demselben Staate, der ihn der Lüge zeiht, grade eine Wahrheit werden, und hält seine Anstellung als muskauscher Staatsgefangener für eine Gnade, der bald der Legationsrathstitel folgen werde.“ Übler noch ergeht es G. Schlesier; er schließt im Buche den Reigen der Helden; sein Talent sei zu achten, heißt es, die Erscheinung des Buches wichtig, wenn auch die Tendenz nicht gebilligt wird. In dem Vorwort ist er zu den Don Quixotes gesellt: „Ein junger Neuling schreibt deshalb gegen Metternich, weil er hofft, jeden Augenblick könne ein Courier kommen, um ihn an Gentzens Stelle zu berufen.“
Bisher war die Kritik Gutzkow’s nur theilweise dem Tadel zugewendet, in dem letzten Abschnitte läßt sie die Flut vernichtender Worte unter Donner und Blitz und mit allem Beiwerke, das die Publication eines Todesurtheils noch zu einer Komödie machen kann, gegen die unglücklichen Johannes Minckwitz, J. Jacoby, F. A. Löffler und – Henrich Steffens ausströmen. Eine solche Kritik wäre gegen die Genannten die gerechteste, wenn sie überhaupt noch nöthig wäre; denn einigen von ihnen ist schon so sehr – um ein gewöhnliches Gleichniß zu brauchen – auf den Kopf getippt worden, daß sie ihn schwerlich mehr in die Regionen der Literatur erheben werden, oder sie verkümmern in ihrer geistigen Misere – und solchen Unglücklichen kann man doch wenigstens die Freude an dem wenigen Leben lassen, das ihnen noch übrig ist, und an dem ja außer ihnen so wenig Jemand Freude hat, als sie selbst eine andere kennen denn diese. Einer aber von den Vieren hat Kraft und Willen, Selbstbewußtsein und Energie; das hat er bisher gezeigt, und das kann man anerkennen, wenn man auch über die Echtheit seiner Bestrebungen, über die Wahrheit seiner Richtung ganz abweichend denken mag. Darum verdient er nicht in die Classe Derer gestellt zu werden, die Windmühlen für Riesen halten und sich für Ritter und Helden; denn die Abirrungen eines Mannes, der seinen Weg zu verfolgen gewohnt war, sind anders zu beurtheilen als die Luftsprünge von Anfängern, die mit einem salto mortale auf den Höhen der Literatur zu sein meinen. Wären ihm jene Abirrungen nicht nachgewiesen worden, so hätte Gutzkow’s Kritik mehr für sich, weil ihre Schärfe durch den Kampf gegen einen allgemeinen Misstand gerechtfertigt würde; so ist sie gegen einen Einzelnen gewendet und hat eine solche Anzahl mehr oder minder eng Verbündeter, daß es hier keinen Riesenkampf gilt, zu dem sie sich auslegt, und daß es ein vergebliches Bemühen ist, an Dem zum Ritter zu werden, der zu sehr Mann ist, um für einen Don Quixote zu gelten.
Über den Gedanken des Buches im Allgemeinen bemerkt Gutzkow selbst: „Indem ich diese unter verschiedenen Eindrücken verfaßten Artikel zusammenstellte, ward ich selber von einer Einheit derselben betroffen, die ich in sie nicht hineingelegt hatte. Ich fand, daß der Refrain aller dieser Artikel die Misstellung der Literatur zu den öffentlichen Thatsachen ist, mochte die Klage nun in meiner Auffassung, oder, was ebenso oft wiederkehrt, in den behandelten Gegenständen selbst liegen.“
Das ist völlig wahr bis auf die Zwiefältigkeit des Grundes. Es ist Gutzkow’s Auffassungsweise, die in den Misständen der Literatur die Einwirkung des öffentlichen Lebens da sieht, wo Andere die Schwächen des Charakters finden oder auch nur die gewöhnliche Schattirung der Lebenszustände. Das wahre Malcontente aber, das er namentlich bei Immermann und Varnhagen gewahrt, ist das Kennzeichen jeder Durchgangsperiode, und für die jetzige wäre es sicherlich schlimm, wenn sie ihren Verlauf in einen Durchbruch des öffentlichen Lebens nähme.
5.1.4. Karl Biedermann in den „Hallischen Jahrbüchern“, April 1839 #
[Karl] Biedermann: Götter, Helden, Don Quixote. Abstimmungen zur Beurtheilung der literarischen Epoche. In: Hallische Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst. Leipzig. Nr. 85, 9. April 1839, Sp. 673-675; Nr. 86, 10. April 1839, Sp. 681-688; Nr. 87, 11. April 1839, Sp. 689-696; Nr. 88, 12. April 1839, Sp. 697-699. (Rasch 14/17.39.04.09)
[Gutzkow antwortete auf diese Kritik mit seinem Artikel → Die Hallischen Jahrbücher. Im Apparat dieses Artikels findet sich Biedermanns Kritik, die im Folgenden auszugsweise wiedergegeben wird, bis auf wenige Kürzungen in Gänze.]
Es ist in unserer modernen Literatur die Sitte – oder besser Unsitte – eingerissen, nach einer gewissen Reihe von Jahren und nachdem der junge Schriftsteller einige Geltung und Bedeutung erlangt hat [...], – die zerstreuten und vereinzelten Arbeiten der zurückgelegten Periode in ein Ganzes zusammenzutragen und in dieser Gestalt dem Publikum von Neuem aufzutischen [...]. Dies Compiliren und Zusammenstellen mag, – neben der industriellen Rücksicht – auch für das geistige Leben des Schriftstellers fördernd und anregend sich erweisen; für das Publicum und besonders für die Kritik haben Litteraturerscheinungen dieser Art immer etwas Unbequemes und Unangemessenes, indem sie nach keiner Seite hin das Interesse befriedigen, was man im ersten Augenblicke von ihnen zu erwarten geneigt ist. Denn weder sind sie ein treuer und vollständiger Ausdruck eines bestimmten Standpunktes und Zustandes in dem Bildungsgange des Autors, – da sie meist aphoristisch, nach verschiedenartigen, äußern, oft zufälligen Anregungen und Motiven entstanden, – noch geben sie, – soweit sie kritischer Natur sind, – von den Gegenständen oder Persönlichkeiten, an die sie sich heften, eine volle Gesammtanschauung, sondern zeigen auch von diesen nur einzelne Momente oder Seiten, – mit denen dieselben gerade im Augenblicke der Beurtheilung dem Kritiker zugekehrt waren. Die Kritik gehört wesentlich der periodischen Presse an, die, als das lebendige Bewußtsein und die allgegenwärtige Controle, alle Entwicklungen und Gestaltungen der Litteratur zu begleiten hat; wird sie fixirt, isolirt, so wird sie von dem Organismus losgerissen, aus dem allein sie ihr fri-[674]sches Leben hatte, – mit ihr aber auch die productive Bildung selbst, deren Reflex sie war. Und unleugbar ist es die Bestimmung und Tendenz unserer modernen Litteratur, daß sie eben eine solche Isolirung nicht will; sie hat sich zur Zeitlitteratur dadurch gestempelt, daß sie den Nimbus ewiger Dauer und classischer Unvergänglichkeit eingetauscht hat für die gewaltigere und bedeutendere präsente Einwirkung auf den Moment und das Leben in der Bewegung.
Der Tadel, der in diesen allgemeinen Bemerkungen ausgesprochen ward, trifft in den meisten Punkten, wenn auch just nicht in allen, die vorliegende Sammlung von Schilderungen und Kritiken, mit welcher Gutzkow über eine ganze litterarische Epoche abstimmen will. Sollen wir in derselben wirklich ein durch allseitige Discussion der Materien vorbereitetes, auf ein umfassendes Resumé der Gesichtspunkte gegründetes, wohlmotivirtes Votum über Charakter und Endresultat irgend einer Periode unseres geistigen Lebens erblicken? Aber da sind weder Richtungen erschöpft – oder selbst nur als solche bezeichnet und festgestellt, – noch auch Individualitäten durch alle ihre Stellungen verfolgt und in ihrer Totalität wiedergegeben; die Erscheinungen wie die Personen treten vereinzelt auf, und bekunden eben dadurch, was wir oben andeuteten, daß ihrer Anschauung hier die Bedingungen entgehen, welche innerhalb ihres natürlichen Zusammenhanges sie rechtfertigen und erklären. Oder geben uns diese Urtheile, diese Charakteristiken, diese halb poetischen, halb philosophischen Excurse ein klares, durchsichtiges Bild von Gutzkow dem Kritiker, dem Poeten, dem Philosophen? von ihm, wie er ist oder wie er einmal war? von dem, was er, und von der Weise, wie er es geworden ist? Auch das nicht, oder mindestens doch nur sehr unvollkommen. Zwar ist diesen Arbeiten insgesammt eine gewisse Gleichmäßigkeit nicht abzusprechen, aber eine mehr negativer Art. Was man allen diesen Kritiken ansieht, ist dies, daß sie geschrieben wurden, als die Strum- und Drangperiode der Productivität für den Verf. vorüber war, als er die alten verbrauchten Geräthschaften, die er im ersten Uebermuth trunkner Laune kurzweg durchs Fenster auf die Straße geworfen hatte, be-[675]dächtig und verstohlen durch die Thür wieder hereintrug, und seine Kleidung, die bei dem Bachanal in etwas geniale Unordnung gerathen, sorgsam in die bürgerlichen Falten zurechtzupfte. Es herrscht in diesen Kritiken eine gewisse übernächtige Nüchternheit, eine gähnende Verdrossenheit, der man von dem Rausche wüsten Kopf und den verderbten Magen anmerkt, eine philiströse Ernsthaftigkeit, als der träge Niederschlag der brausenden, phosphorescirenden Lust und Jovialität. Daß diese Stimmung nicht Gutzkow’s Wesen bezeichnet, daß sie nicht dauernd ist, daß seine neuen Productionen wieder Selbstständigkeit, Lebendigkeit, Bedeutsamkeit anstreben, – wenn auch auf andern Wegen, als den früheren, – das ist eben so unzweifelhaft, als es widerwärtig ist, ihn gerade in diesem Zustande zu erblicken und ihn seine Unbedeutendheit recht geflissentlich zur Schau stellen zu sehen. Indeß so sehr wir aus diesem Grunde vorzögen, der neuen Entpuppung seines Talents zuzuschauen und aus dem gemeinsamen Product seiner Vergangenheit und seiner Gegenwart seinen eigensten Charakter und seine wahre geistige Kraft zu berechnen: so fühlen wir uns doch verbunden, für dies Mal die Grenzen nicht zu überschreiten, die das vorliegende Werk unserer Kritik steckt, und Gutzkow nur unter dem Gesichtspunkte und in der Stellung zu betrachten, die er sich selbst hier anweist.
[681] „Indem ich,“ sagt Gutzkow im Vorwort, „diese unter verschiedenen Eindrücken verfaßten Artikel zusammenstellte, ward ich selber von einer Einheit derselben betroffen, die ich in sie nicht hineingelegt hatte. Ich fand, daß der Refrain aller dieser Artikel die Mißstellung der Litteratur zu den öffentlichen Thatsachen ist, mochte die Klage nun in meiner Auffassung, oder, was eben so oft wiederkehrte, in den behandelten Gegenständen selbst liegen. [Das Zitat wird bis zum Schluss von Gutzkows Vorwort fortgesetzt.]
[682] [...] Also die „Mißstellung der Litteratur zu den öffentlichen Thatsachen“ soll durch den Inhalt dieser sämmtlichen Kritiken ausgesprochen und in ihren verschiedenartig nuancirten Erscheinungen charakterisirt sein. In der That, dieser Ausdruck hat etwas so diplomatisch Reservirtes, so philosophisch Transcendentes, – oder, wenn wir offen sein sollen – etwas so Vages, Vieldeutiges und Nebuloses, daß man sich schier abquälen könnte, um den vorausgesetzten tiefen Sinn hinter demselben hervorzuziehen, wenn es nicht wieder zu klar am Tage läge, daß es Gutzkow gar nicht darum zu thun war, einen solchen hineinzulegen, oder noch [683] richtiger vielleicht, daß er absichtlich diese preciöse Phrase wählte, um etwas Nichtssagendes mit dem größten Scheine von Prägnanz und Bedeutsamkeit zu überdecken und für seine subjectiven Reflexionen, die nirgends über das Individuelle hinauskommen, eine allgemeine Kategorie zu finden. Dies zeigt sich schon in der haltlosen, halb nachlässig willkürlichen, halb schülerhaft täppischen Manier, die einzelnen Erscheinungen unter dieses abstracte Schema zu subsumiren, in diesem schlottrigen Hier und Dort; in der ganzen langgereckten, steifen Periode, die – mit ihren en échelons aufmarschirten Sätzen zwischen lauter Semikolons, mit ihren: Ferner, Ein Andrer, Endlich u. s. w. – wie [...] ein casuistischer Sermon sich ausnimmt, – überhaupt in der Abgeschmacktheit, jeder Persönlichkeit gleich beim Eintritt eine solche Etikette anhängen zu wollen, – wobei doch einzelne ausgelassen werden, an denen sich der vorgeschriebene Typus nicht gleich aufzeigen läßt.
Eben so willkürlich und affectirt, als diese Beziehung der verschiedenartigsten individuellen Erscheinungen auf eine allgemeine Kategorie, ist ihre Eintheilung in die drei Rubriken: Götter, Helden, Don Quixote, – die durch die Erinnerung an den bekannten satyrischen Streifzug Göthe’s gegen Wieland pikant sein soll. Zwar die Götter sind theils als dem Welttreiben – und zwar sämmtlich sehr früh – Entrissene, theils auch durch die mildere, fast wehmüthige Stimmung, welche in Bezug auf sie die Kritik Gutzkow’s angenommen hat, den Mißverhältnissen und Trübsalen entrückt, welche Letzterer an den Personen der beiden anderen Rubriken vorfindet, oder auch selbst durch seine scharfen Geißelhiebe über sie verhängt; aber über den Helden wie über den Don Quixoten schwebt gleich unerbittlich diese furchtbare Geißel, und höchstens könnte man sagen, daß ihre Streiche jenen mehr in der Weise eines Ritterschlags zugemessen werden, während sie auf diese schallend und im wilden Schwunge niederhageln, bis Gutzkow am Ende gar sein Strafinstrument dem Letzten ins Gesicht wirft. Doch wir müssen endlich die Individualitäten namhaft machen, mit denen wir es in diesen Gutzkow’schen Kritiken zu thun haben.
Percy Bisshe Shelley. Man kennt diesen geistvollen, aber unglücklichen jungen Dichter, Byron’s Zeitgenossen und Freund, den Gottesläugner und Schwärmer, berühmter durch seine Kämpfe mit sich und mit der Welt, als durch seine Schöpfungen, obgleich unter diesen seine Cenci auch bei uns neuerdings ihm einen ziemlichen Namen gemacht haben. Gutzkow hat auch mehr seine Schicksale und seinen Charakter, als sein Talent geschildert. Unbekannter dagegen dürfte den Meisten der zweite jener Götter sein, Georg Büchner, welchem wohl auch weniger seine poetischen Leistungen, die durch seinen frühzeitigen Tod fast noch im Keime erstickt wurden, als vielmehr die persönli-[684]chen Berührungen des Verf. mit ihm, diese ausgezeichnete Stellung verschafft haben. Gedrängt von äußerem Mißgeschick, hatte er sich vertrauensvoll an Gutzkow gewandt und durch ihn die Herausgabe seines Trauerspiels: „Danton’s Tod“ erwirkt. Später, als er, wegen politischer Verfolgungen, von Darmstadt nach Straßburg geflüchtet war, bestanden diese Beziehungen dennoch fort und verschafften Gutzkow nicht nur eine innige Bekanntschaft mit dem genialen Drängen und Schaffen eines eben erst zur Klarheit sich herausarbeitenden Feuergeistes, sondern auch, als schönes Vermächtniß, die gesammelte Ausbeute seines poetischen Talents, wovon schon ein werthvolles Stück, das Fragment einer Novelle: „Lenz“, neuerdings im Telegraphen mitgetheilt worden ist. Der dritte unter den Göttern ist Christian Grabbe. Ueber ihn ist das Urtheil der Zeitgenossen wohl so ziemlich festgestellt. Gutzkow hat es weder modificirt noch tiefer begründet.
Unter den Charakteristiken der Helden steht die Wilhelm Schadow’s voran, eine der gelungensten im ganzen Buche. Nach einigen treffenden Bemerkungen über die mißliche Stellung der Kunst in unserer Zeit, wo weder Stoff noch Form sich zweifellos der unmittelbaren Begeisterung biete, sondern vielfacher Reflexionsvermittlung bedürfe, zeichnet der Verf. Schadow’s künstlerischen Charakter und seinen Einfluß auf die düsseldorfer Schule, und giebt als das Eigenthümliche der von ihm ausgehenden Kunstrichtung die forcirte Lieblichkeit, die Süße und Grazie in der Farbengebung, die musikalische Empfindung in der Composition an.
Es ist bekannt, wie heftig und zum Theil gröblich die junge Litteratur den Herrn von Raumer angefeindet hat. Gutzkow nimmt ihn in Schutz, freilich auf eine Weise, die vielleicht schlimmer ist, als jene Anfechtungen. Er will nicht die Anschuldigung gelten lassen, Raumer verfolge verderbliche, illiberale Tendenzen; er behauptet vielmehr dessen vollkommene Tendenzlosigkeit; er findet es unrecht, daß man ihm Dilettantismus in der Wissenschaft vorwerfe, indem ja das ganze Wesen Raumer’s in der bloßen gewandten, geistvollen Combination und Berechnung und in einer gewissen Ironie der Selbsttäuschung begründet sei und alle Anforderungen tieferer Consequenzen, speculativer Durcharbeitung des Stoffes ausschließe. „Wer, wie ich,“ so schließt er diese Beurtheilung, „nie an Herrn von Raumer die Zumuthung gestellt hat, irgend eine mir wünschenswerthe Rolle zu spielen, der wird sich nie bequemen können, den Vorurtheilen unbedingten Raum zu geben, von welchen dieser Gelehrte verfolgt zu werden pflegt.“ – Zu einer ähnlichen Ehrenrettung fühlt sich der Verf. gedrungen in Bezug auf J. P. von Rehfues, dessen litterarische Leistungen man allerdings wohl allzusehr die Ungunst, die seinen politischen Charakter traf, hat entgelten lassen. Sein [685] Roman „Medea“ wird in seinen Hauptzügen besprochen. Was über Karl Immermann gesagt wird, scheint uns treffend und wahr; wir wollen Gutzkow’s eigene Worte anführen: [Es folgt ein Zitat von Es kämpfen in Immermann zwei Elemente bis als hätte er sich durch seine Schriften ausgesprochen.] Die nun folgende Charakteristik Varnhagen’s von Ense, die sich allerdings bloß über dessen neueste Mitteilungen, „die Gallerie von Bildnissen aus Rahel’s Umgang und Briefwechsel“ ausspricht, ist dennoch insofern von Interesse, als sie den Verf. in einer Stellung zu Varnhagen zeigt, die man, wenn man nur auf seine früheren Sympathieen und Genossenschaften sieht, kaum vermuthen möchte. Wir merken hier besonders an sein ziemlich scharfes, doch wohlmotivirtes Urtheil über Gentz, welches mit den, von einer andern Branche der jungen Litteratur, eben unter Varnhagen’s Vortritt, ausgegangenen Versuchen einer Apotheose dieser Individalität in schneidendem Widerspruche steht. In dem Varnhagen’schen Werke selbst glaubt er Spuren einer Verstimmung des Schriftstellers über Verringerung des Einflusses der Litteratur auf die öffentlichen Angelegenheiten wahrzunehmen. Was Gutzkow in der Besprechung des Leo-Diesterweg’schen Streites – einem übrigens unbedeutenden Aufsatze – mit Bezug auf die Stellung und Wirkung der Universitäten auf moralische und intellectuelle Bildung sagt, gäbe Anlaß zu einer interessanten Discussion, müßten wir nicht fürchten, uns zu weit von unserm vorgesteckten Ziele zu entfernen.
Wir kommen jetzt an eine Reihe von Darstellungen, die dadurch eine höhere Bedeutung für uns erhalten, daß ihre Helden Männer der jungen Litteratur sind, die frü-[686]herhin auf demselben Wege mit dem Verf., theils vor ihm her, theils im Schritt mit ihm, theils hinterdrein als Nachzügler einhergingen, bis der furchtbare Wetterstrahl mitten unter sie dreinfuhr, und sie verwirrt und geblendet nach allen Seiten hin auseinandertaumelten. Man weiß, wie wenig jene Schriftsteller, nach der gewaltsamen äußeren Zersprengung, an ein inneres Zusammenhalten im Geiste und in der Tendenz ihrer litterarischen Bestrebungen dachten, wie sie vielmehr über ihre gegenseitigen Leistungen mit einer Gleichgiltigkeit, ja Feindseligkeit aburtheilten, von der es schwer zu sagen fällt, ob sie erkünstelt sei oder ob sie aus dem natürlichen Widerwillen entspringe, den meistentheils die Genossen eines wilden Excesses gegen einander empfinden, sobald der erste, tolle Rausch dem Ekel und der Dumpfheit der Abspannung gewichen ist. Auch die vorliegenden Artikel bieten Beispiele dieser Erscheinung, und in diesem Sinne wollen wir ihnen einige Aufmerksamkeit widmen. Die wenigen Worte über Heinrich Heine können wir billig unbeachtet lassen, da sie nichts Weiteres aussagen, als daß Heine in Geldnoth sei, und daß es unseren ganzen modernen Litteratoren nicht viel besser gehe, weil das Publicum sie im Stich lasse, die Regierungen aber sie sogar verfolgen. Dagegen müssen wir etwas länger bei den Urtheilen des Verf. über Theodor Mundt und Heinrich Laube verweilen. Von dem Ersteren ist es das Buch „über die Kunst der deutschen Prosa,“ was Gutzkow zu vielerlei Betrachtungen und Vorwürfen Anlaß gegeben hat, die mindestens einer genauern Beachtung nicht unwerth sind. Er spricht zuerst über die, auch von Laube unterstützte Ansicht Mundt’s, daß eine Regeneration unserer Litteratur nur von der Prosa zu erwarten sei, und modificirt dieselbe dahin, daß er nur den dem Gebiete der Prosa verwandten Stoffen eine größere Fruchtbarkeit und Bedeutsamkeit vor denen der Poesie einräumt, ohne in Bezug auf die Form jene Exclusivität gut zu heißen. Darauf kommt er auf die ebenfalls von jener Seite gemachten Prätensionen, daß der Styl der jungen Litteratur allein schon eine neue Thatsache und eine litterarische Wiedergeburt sei, und legt mit Bezug hierauf folgendes gewiß höchst merkwürdige Bekenntniß ab: [Es folgt ein Zitat von Leider hat die junge Litteratur bis der fortwährend über Doctrin und Subjectivität stolperte, begonnen haben.] [687] [...] Er behauptet, der Styl der classischen Zeit, der Styl eines Thümmel, Herder, Göthe habe schon dieselben Schönheiten besessen, welche Mundt ausschließlich für den modernen Styl in Anspruch nimmt, und tadelt diesen noch ganz besonders deshalb, daß er zu wenig den Einfluß Heine’s auf die deutsche Prosa gewürdigt habe. Er und Laube sprechen nur von Hrn. von Varnhagen, von Gans, von Ranke. Aber der Letzte sei Historiker und weit stolzer auf seine Forschungen als auf das Gewand derselben. Der Erste schreibe einen hochwohlgebornen Periodenstyl mit sechs Pferden lang, und Hr. Gans vollends habe einen Styl, aber keinen classischen. „Auch Mundt,“ fährt Gutzkow fort, „der so viel von dem Styl erwartet, eine wahre Welterlösung, schreibt viel zu gestreckt und überhängend. [Das Zitat wird fortgeführt bis aber um keinen Preis nachgeahmt zu werden verdient.]
Wir haben dies Bekenntniß Gutzkow’s ein merkwürdiges genannt; und so erscheint es uns in der That. Daß die Schriftsteller, welche früher Clique gemacht und in geschlossener Phalanx auf ein gemeinsames Ziel hin sich gerichtet hatten, dies Ziel und sich selbst jetzt nicht mehr kennen wollen, das ist wenigstens begreiflich. Aber Eines mußte auch nach dieser Theilung für sie Gemeingut bleiben, wofür sie insgesammt sich solidarisch verbindlich machten – ihr Styl. Sie hatten zu oft, zu bestimmt ausgesprochen, daß ihr Styl das sei, was sie von der früheren Litteraturperiode auf immer scheide und schon für sich allein Epoche mache; und die Vollkommenheit ihrer Diction war das Einzige, was sie auszeichnen und kenntlich machen konnte, nachdem in Hinsicht auf den Inhalt sie ihre Selbstständigkeit eingebüßt hatten. Aber, sonderbar! gerade in diesem Punkte that sich eine auffallende Unsicherheit des Geschmacks bei den Mitgliedern des jungen Deutschlands kund, die sich eben so sehr in ihren Productionen als in ihren Kritiken, zumal denen, worin sie sich gegenseitig beurtheilten, fühlbar machte. Was soll das Publicum von dieser neuen [688] Akademie des Styls denken, wenn es hört, wie abwechselnd Laube von Gutzkow sagt, er experimentire bloß mit seinem Style, dieser sei ihm noch kein Innerliches geworden; und dann wieder Gutzkow von Laube, er rede eine schwülstige, affectirte Sprache, einen angelernten Jargon; wie endlich Mundt Beide anfeindet, und von Beiden angefeindet wird? Und noch dazu haben alle Drei vollkommen Recht. Ganz besonders ist es jenes Experimentiren, was die neuern Productionen dieser jungen Schriftsteller zu keiner rechten Abrundung und Selbstständigkeit des Styls kommen läßt. Vorzugsweise trifft dieser Vorwurf Laube, weniger Gutzkow, in noch geringerm Maße Mundt und Kühne. Von Wienbarg ist kaum zu sprechen, da er seit lange her in einem stolzen Schweigen verharrt. [...]
Wenn nun jene Idee einer socialen Reform bei Wienbarg Sache eines ernsteren Bewußtseinsdranges, bei Laube Sache der Phantasie war, so war es bei Gutzkow die Dialektik des Verstandes, die sich derselben vorzugsweise bemächtigte. Gutzkow ließ sich weder von der gewaltigen Strömung jener weltstürmenden Speculation willenlos fortreißen, noch warf er sich in sie hinein, um mit lustigem Behagen in ihr hin und her, auf und ab zu gaukeln; sondern er calculirte sich seine Bilder, Situationen, Effecte vorweg aus und legte dann nach diesem Schema seine Gemälde an. Daher das Raffinirte, Outrirte, auf die Spitze Getriebene in seinen Compositionen; daher aber auch, was irgendwo Laube richtig anmerkt, das Aeußerliche, Zerfahrene, Nüchterne seines Styls, dem man es ansieht, daß er nicht voll und warm aus dem Innern quillt, sondern ebenfalls ein Product des Calculs ist. [...]
Ueber Schlesier’s „Oberdeutsche Staaten und Stämme“ spricht sich Gutzkow in der Weise tadelnd aus, daß er das unberufene sich Eindrängen der Litteratur in den Gang der Regierungen und die Anforderungen, die man an diese letztern macht, allen Lebensfunctionen eine Stelle und eine Geltung einzuräumen, als unpassend und schädlich bezeichnet. Dem Talente des Verfassers läßt er Gerechtigkeit wiederfahren, räth ihm aber an, ein kleines Ackerfeld der Poesie oder Philosophie fleißig und redlich zu bearbeiten.
Die Reihe der Don Quixote eröffnet J. Minckwitz. Die beißenden Witze, mit denen Gutzkow, kurz nach dem Erscheinen des „Briefwechsels zwischen Platen und Minckwitz,“ die Arroganz dieses jungen Philologen züchtigte, der sich an Platen drängte, um von dessen Dichterruhm einen Reflex auf seine eigene gänzliche Unbedeutendheit fallen zu lassen, – sind bekannt genug. Sie sind unverändert aus dem Feuilleton zur Europa, in dem sie damals erschienen, in die vorliegende Schrift übergegangen. Wir wollen daher nur eines Ausspruchs des Verf. Erwähnung thun, der sich auf Platen selbst bezieht und uns für die Ansichten, zu denen Gutzkow sich gegenwärtig in Bezug auf Poesie bekennt, höchst bezeichnend erscheint. Er behauptet nämlich, Platen sei darum mißverstanden und vernachlässigt worden, weil er nur sich dichtete, seine individuellen [694] Zustände, seinen Charakter, nicht die allgemeinen Gefühle des Publicums, und er findet gerade darin seine Größe als eines wahren Dichters; ja er stellt ihn deshalb mit Göthe zusammen. Dies ist eine Begriffsverwirrung, deren sich ein Kritiker am wenigsten schuldig machen sollte, welcher einst die Objectivität zu seinem Parteinamen erhoben hatte. [...] Aber solche Gedankenlosigkeiten und Widersprüche entstehen, wo man die Kritik nach momentaner Stimmung, ohne ein festes und klares Bewußtsein, ausübt. Wir eilen zum Schlusse, und wollen uns darum weder bei der ziemlich derben Abfertigung des Apostaten J. Jacoby, noch bei der Widerlegung des Löffler’schen Buches „über die Gesetzgebung der Presse“, noch selbst bei der furchtbar bittern, aber wohl nicht ungerechten Polemik gegen Steffens’ „Revolution“ aufhalten, sondern nur noch über die Stellung und Gesinnung des Verf., wie sie sich in diesem Werke ausspricht, einige Bemerkungen beifügen, zu denen gerade jene beiden letzten Aufsätze uns die hauptsächlichsten Materialien liefern werden. Es kann nicht unsere Absicht sein – wie wir dies auch schon oben erklärt haben – aus diesen fragmentarischen Productionen, die noch dazu nicht alle in einer und derselben Zeit entstanden sind, ein Gesammtbild von Gutzkow’s Charakter oder Talent herzustellen; aber wir können uns nicht versagen, daraus einige Züge zu entnehmen, die uns besonders geeignet scheinen, sowohl über das, was Gutzkow war, als auch über das, was in Zukunft von ihm zu erwarten steht, ein ziemlich sicheres Urtheil zu begründen.
Voran stehe hier wieder ein Bekenntniß, wodurch Gutzkow seine Vergangenheit, seine Handlungen und die seiner Partei förmlich abschwört und zurücknimmt. Er spricht zuerst von den Ursachen, welche jene litterarischen Excesse veranlaßten. „Die Litteratur,“ sagt er, „war durch die ausgedehnte Wirksamkeit des Wolfgang Menzel von der Achtung vor der Vergangenheit entbunden; der junge Nachwuchs ging hier in die schlechteste Schule, indem er sich ein arrogantes Urtheil über die frühere Litteraturperiode angewöhnte und dies durch Kategorien zu beweisen suchte, die alle einer versteckten, ehemals burschenschaftlichen Richtung entnommen waren. Zu dieser gefährlichen Unterweisung kam der Mangel an bedeutenden Vorbildern. Die Vergangenheit war theils zertrümmert, theils zu weit entrückt; die Gegenwart bot keinen Ersatz. Steffens war ein litterarischer Dilettant; Tieck hatte sich aller Anknüpfungen, die man an ihn machen konnte, ausgenommen in Shakspearesachen, entledigt. Die Verwirrung auf dem religiösen Gebiete war durch den theologischen Parteienkampf hoch genug gestiegen. Der Journalismus war einestheils durch Müllner [696] zu einer Frechheit in Persönlichkeiten gelangt, die, da die Nachahmer nur überbieten konnten, gar keine Rücksicht mehr nahm, und anderntheils war er so heruntergekommen, daß er sich nur in den gewöhnlichsten Sphären umtrieb und, wenn junge Kräfte sich ihm anschlossen, Niemandem den Gedanken einflößte, daß diese Zeitschriften von oben her berücksichtigt würden. Aus allen diesen Elementen mischte sich ein Stoff zusammen, den die Ereignisse des Jahres 1830 entzünden mußten. Es giebt kein Publicum – von dieser Voraussetzung aus schrieben die jungen Dichter und Kritiker, ohne an ihre Leser zu denken.“ – Diese Anführungen sind gewiß sehr wahr und dienen eben so sehr, das Entstehen und den Charakter der jungen Litteratur zu erklären, als ihre Unbesonnenheiten zu entschuldigen. Diese letztern durfte Gutzkow zugeben, und das Geständniß, daß er, durch jene Einflüsse, unter denen er sich entwickelte, irre geleitet, die rechte Form und das Maß des Schicklichen in seinen Aeußerungen verfehlt, konnte ihm bei denen, in deren Hände er leider seine ganze Zukunft gelegt sieht, hinreichende Rechtfertigung gewähren und würde ihm in den Augen des Publicums keinen Nachtheil gebracht haben. Auch das konnte er aussprechen, daß er von seinen politischen Ideen jener Zeit zurückgekommen sei, daß er sich ganz von der Politik entfernt halten wolle, weil er die Fortbildung des Staatslebens nicht von den politischen Theorieen der Schriftsteller, sondern von der Feststellung der öffentlichen Thatsachen unter der Aufsicht der Regierung erwarte. Kein Besonnener wird wohl die Täuschung genährt haben, es könne von der jungen Litteratur eine politische Reform ausgehen, oder es sei derselben auch nur irgend Ernst mit ihren liberalen Declamationen. Dies Alles konnte er aufgeben und doch noch von seinen damaligen Bestrebungen einen gewissen Kern, eine wirkliche Tendenz retten. Er konnte die Ansichten, die er in jener Epoche bekannte, im Geheimen tiefer ausbilden und abklären, um damit erst dann vorzutreten, wenn er für dieselben eine minder schroffe Form und eine festere Basis gewonnen hätte; er konnte bis dahin darüber schweigen, und man würde sein Schweigen geehrt und gebilligt haben. Aber wenn er dieselben Ideen, welche damals den ausschließlichen Gehalt und das Schiboleth der jungen Litteratur bildeten, jetzt geradezu desavouirt, wenn er versichert, nie daran geglaubt zu haben, wenn er endlich sogar uns weiß machen will, auf das völlige Gegentheil dessen, was man ihm als Tendenz untergeschoben, ausgegangen zu sein; – so ist dies ein Verfahren, was weder durch die mißliche Stellung, in der sich allerdings der Verf. befinden mag, noch durch die Freiheit, die man jedem Geiste, und allermeist dem des Dichters recht gern gestattet, – seine Lebensanschauung zu modificiren und zu entwickeln, – genügend gerechtfertigt wird.
[697] Es ist redlich und ehrenvoll, seine Gesinnung zu ändern, sobald eine größere Lebensreife das Bewußtsein von deren Unzulänglichkeit erzeugt hat; man wird deshalb nicht minder fortfahren, jenen frühern Standpunkt werthzuhalten; aber es ist feige und unwürdig, mit seiner Vergangenheit, mit seinen Ideen und Bestrebungen zu brechen, nicht den Muth zu haben, dieselben zu vertreten, und so an sich selbst zum Verräther zu werden. Nur in wessen Thaten und Gesinnungen nie ein rechter Ernst, nie eine tiefere Wahrheit kam, nur wer sich mit Ansichten, Tendenzen, Ideen behängt wie mit einem Faschingsanzug, den er im nächsten Augenblicke abzustreifen gedenkt, – nur ein Solcher kann zu jeder Zeit jede beliebige Verwandlung mit seinem Glaubensbekenntniß vornehmen. Wir sind von der pedantischen Anmuthung entfernt, ein Dichter müsse sein ganzes Leben lang nach seinem Antrittsprogramme fühlen, glauben und dichten; wir gestatten ihm gern das anmuthige Spiel eines steten Wechsels, einer rastlosen Bewegung, und geben zu, daß gerade in diesen kleinen Inconsequenzen, in diesem Ueberspringen von einer Meinung zur andern, in diesem gleichmäßigen Eingehen in alle, auch die heterogensten Lebenserscheinungen, die reichsten poetischen Motive liegen. Aber auch der Dichter muß ein Herz haben, was wenigstens für Etwas wahr und warm schlägt; eine Gesinnung, die ihn über dem wirren Treiben emporhält, und wodurch er dasselbe beherrscht und zum naturtreuen, charaktervollen Bilde gestaltet; einen stillen Ort in seinem Innern, wo er sich hinrettet, wenn die tausend Zauber der bunten Erscheinungswelt ihn sich selbst zu entfremden, ihm Halt und Besinnung zu rauben drohen, er muß vor Allem Eines haben – Selbstachtung. Ein Dichter, der diese nicht besitzt, wird nie nachhaltige Wirkungen hervorzubringen im Stande sein; eine Litteratur, welche dieser entbehrt, wäre eine Pest für ihre Zeit. Sollte jene Gesinnungslosigkeit, die als eine natürliche Reaction [698] gegen den Pedantismus und die Morosität wohl Verzeihung finden mochte, sich zum permanenten Charakter unserer modernen Litteratur herausbilden, sollte sie es dahin bringen, daß man gleichgiltig gegen den Inhalt und die Tendenz der schriftstellerischen Productionen würde, und sich nur an die schöne Form, an das Gliederspiel des Rhythmus und den Wohllaut der Diction hielte, sollte man dieselbe sogar für eine innere Nothwendigkeit der Poesie erklären: – so würde dies unausbleiblich eine Opposition des Zeitgeistes aufrufen, die dann leicht der Poesie und Litteratur selbst gefährlich werden könnte. Die Interessen und Zustände unserer modernen Cultur sind zu fest in einander verwachsen, zu verwickelt, zu sehr auf ein Zusammenhalten aller Kräfte, auf ein Ineinandergreifen aller Richtungen berechnet, als daß sie eine solche Isolirung einzelner Gebiete vertragen könnten; der Umschwung der tausendfach verbundenen Räder ist zu gewaltig, als daß nicht das Stocken des kleinsten Rades die ungeheuerste Gefahr bringen sollte. Eine Litteratur, die es mit diesen Interessen nicht ernst nähme, eben so gut wie eine, die sich jeder Beziehung auf sie entschlagen wollte, würde ausgestoßen werden. Diese Ueberzeugung leitete auch die jüngeren Schriftsteller, als sie den innigsten Zusammenhang und Wechseleinfluß des Lebens und der Litteratur als ihr Grundprincip proclamirten, und in diesem Sinne haben wir oben gesagt, daß sie es mit ihrer socialen Reform ernst zu meinen schienen. Sie können freilich die Gewalt anklagen, welche dies ihr Wirken rücksichtslos unterbrach; aber wenn sie nun, wie verzogene Kinder, gar nichts mehr für jene Sache thun wollen, weil man sie nicht gerade so gewähren ließ, wie sie sich’s in den Kopf gesetzt hatten, oder wenn sie das Anathema, was ihre Bestrebungen traf, selbst mit ängstlicher Hast nachsprechen, und sich und uns vorreden, sie hätten es ja so böse gar nicht gemeint und eigentlich sich bei ihrer Opposition gegen das Bestehende gar nichts oder das directe Gegentheil gedacht: so fällt jene Anklage auf sie selbst zurück und macht die Sympathieen verstummen, die sich in vielen Herzen für sie regten. Es ist lächerlich, wenn Gutzkow seine Vertheidigung mit der Erklärung [699] schließt: „Wir suchen den freien Mann – nicht das freie Weib, – wir suchen die Wiedereinsetzung des Geistes, – nicht die Wiedereinsetzung des Fleisches, – wir suchen Gott, – nicht weil wir ihn verloren haben, – sondern weil in ihm nur der wahrhaft selig ist, der ihn selber gefunden hat!“ – aber es wäre traurig, wenn der Zwang der Verhältnisse oder die Meinung des Tages solche Charakterlosigkeit nöthig machte und autorisirte.
5.1.5. Julius Seydlitz in „Ost und West“, September 1839#
Julius Seydlitz: Literarische Briefe. In: Ost und West. Blätter für Kunst, Literatur und geselliges Leben. Prag. Nr. 76, 21. September 1839, S. 326-328. (Rasch 14.17.39.09.21)
Wie schon der Titel zeigt, lassen „Götter, Helden, Don Quixote“ mehrere Abstufungen eintreten; die Personen und Schriften, welche Gutzkow hier bespricht, werden nach ihren Individualitäten unter die bezeichneten Rubriken gesetzt, und dem gemäß abgefertigt. Auffallend auf den ersten Blick ist es, daß er Georg Büchner unter die Götter setzt, Steffens zum Don Quixote macht, und fast wird man versucht, an einen Schein von Parteilichkeit zu glauben. Um aber die Widerlegung dessen zu finden, braucht man nur einen Blick auf Gutzkows eigenen Charakter zu werfen. Streng und unerbittlich Alles verwerfend, was nicht mit seinen Ideen übereinstimmt, hat dieser Tribun der modernen Literatur bis jetzt mit eiserner Consequenz in einem scheinbaren Terrorismus verharrt, der selbst mehre seiner besten Freunde und eifrigsten Vertheidiger endlich von sich abstieß. Gutzkow, seinem tiefsten Wesen nach Verstandesmensch,) nimmt Alles unter die Lupe seines feinen, in dialektischem Grübeln geübten geistigen Auges, zerlegt es in seine geheimsten Fasern und legt dann an Alles den Maßstab jenes ästhetischen Systems, welches er fest in sich gebildet, und consequent durchgeführt hat; wenn auch kleine Abweichungen in dem weniger Scharfblickenden Zweifel an letzteres aufkommen lassen können. Dieses System seiner ästhetischen Kritik ist aber kein anderes, als, den Verfasser immer in Rapport mit seinem Werke zu bringen, aus dem Buchstaben die Individualität herauszulesen, und beide nun [327] gegenseitig beleuchtend, versucht er den Standpunkt, welchen das Buch seiner Ideen und Ansichten wegen in der Literatur einzunehmen berechtigt ist, festzustellen. Freilich kömmt hierbei die eigene Ansicht des Kritikers sehr mit ins Spiel, welche aber bei Gutzkow, vorzüglich in der neuesten Zeit, eine so durchgehends auf das Positive gegründete ward, daß man seinem Urtheile immerhin alles Vertrauen schenken darf. Für ihn liegt die Zeit der brausenden, schäumenden Jugendüberspanntheit schon weit zurück; die Zeit, das Unglück und die Ueberlegung haben ihn schneller als so manchen Andern auf den Pfad der Mäßigung gebracht, und Studium und Nachdenken von dem zurückkommen lassen, was ihn früher dem Herzen der Nation entfremdete. Er ward kein Apostat seiner Freimüthigkeit, sondern er hat nur dem Zeitgeiste nachgegeben, der ihm ein kraftvolles: Mäßigung! zurief. Ihm ist der Fortschritt nicht mehr ein unbedachtsames Dahinrennen, sondern ein kluges, vorsichtiges Wandeln auf dem Wege, welchen alle Besserdenkende einzuschlagen für gut fanden. [...]
Er legt in diesem Buche die Resultate mehrjährigen kritischen Wirkens nieder, und läßt, nach der oben angedeuteten Weise seiner Kritik, eine Reihe der bedeutendsten Persönlichkeiten unserer Zeit in scharfmarkirten Umrissen an uns vorüberziehen. Shelley, Rahel, Varnhagen, sind Charakterbilder, so vollendet und schön, wie wir sie nur von dem Verfasser der „öffentlichen Charaktere“ erwarten können; wenn er dann über Steffens, Löffler und J. Jacoby die Lauge seines Witzes und der Satyre ausgießt, so müssen wir ihm bei den beiden Letzten unbedingt Recht geben, können dies aber nicht so ganz bei Steffens, weil hier die Verdienste dieses Mannes um Philosophie und Naturwissenschaft nicht gehörig gewürdigt scheinen. Verdient er auch vollkommen den Tadel, der in Bezug auf sein letztes Werk hier über ihn ausgesprochen wird, weil er die Postulate des Fortschrittes nicht allein läugnet, sondern sogar mit Füssen tritt, so dürfte doch nur in dieser einen Hinsicht der Stab über ihn gebrochen werden, keineswegs aber über sein ganzes literarisches Wirken. Hier wird Gutzkow in seinem Eifer zu weit geführt, und das Ausdehnen des Verdammungsurtheils auf das Ganze, wo es sich blos um ein Einzelnes handelt, ist der wahre Grund, daß man in seinen Kritiken einen Terrorismus der Vernichtung zu finden meint.
Bemerkenswerth ist die Vorrede des Buches. Sie ist gleichsam ein Glaubensbekenntniß des Verfassers und als solches zur genaueren Würdigung dieser Persönlichkeit nicht unwichtig. Enthält sie doch nichts weniger, als im Allgemeinen ein Lossagen von Denen, mit welchen man ihn einst zusammengeworfen, ein Abnegiren von Tendenzen, die den Fluch der Lächerlichkeit noch hier und da mit sich herumschleppen; kurz das Manifest eines neuen Weges, den er eingeschlagen und für Alle einzuschlagen für nothwendig findet: den der Klarheit, Ruhe und Mäßigung. – An diese Vorrede, beinahe mit ihr correspondirend, schließt sich jener vortreffliche, ja klassische Aufsatz „Vergangenheit und Gegenwart“ im ersten Jahrgang des Jahrbuchs der Literatur. Hier zeigt Gutzkow sich in voller Kraft seines glänzenden, körnig kräftigen Geistes, und ich müßte Ihnen einen eigenen Brief darüber schreiben, wollte ich Sie auf all das Herrliche, das darin vorkömmt, auch nur oberflächlich aufmerksam machen.
Kommentar
Der wissenschaftliche Apparat wird hier zu einem späteren Zeitpunkt ergänzt.
Zitierte Literatur
Martin Georg Büchner von 1835 bis 1845: Dokumente zur frühen Wirkungsgeschichte. Hg. von Ariane Martin. Bielefeld: Aisthesis-Verl., 2014. (Vormärz-Studien, Bd. 34.)
[1] Vorlage: er
[2] Hier müssen wir dem Verfasser widersprechen. Wir halten Gutzkow für ein wahrhaft productives Talent, was er schon durch so viel herrliche Werke, und erst neuerlich durch sein mit größtem Beifall aufgenommenes Trauerspiel Richard Savage bewies. Nur hat G. zu frühzeitig kritisirt, was aber seine Phantasie keineswegs beeinträchtigte, sondern nur allen seinen Productionen eine gerade recht wünschenswerthe Verstandesschärfe gibt. Die Red.